Verzeihen erleichtert
Nicht zu verzeihen belastet uns – das steckt schon im Wort "nachtragend". Wenn man etwas nicht verzeiht, beschäftigt man sich gedanklich oft wieder und wieder mit dem Geschehenen.
Und das ist ungesund. Erklärt unsere Studioexpertin, die Psychotherapeutin und Buchautorin Angelika Rohwetter. Denn die Seele reagiert beim ständigen Erinnern und der Grübelei über einen Vorfall oft genauso verletzt wie beim ersten Mal, als der Vorfall tatsächlich geschah. In der Psychologie nennt man das "Retraumatisierung".
Und damit schaden wir vor allem uns selbst. Während der andere Mensch, der sich in unseren Augen falsch verhalten hat, die Sache vielleicht schon vergessen hat.
Den wunden Punkt erkennen
Streitigkeiten und Zerwürfnisse entstehen – objektiv betrachtet – oft aus einer Kleinigkeit, etwa der unbedachten Bemerkung einer Freundin. "Der Schmerz ist in der Regel stärker, als es 'angemessen' für die auslösende Situation wäre", sagt Angelika Rohwetter, Autorin des Buches "Versöhnung".
Der Grund: Die Freundin hat wohl mit ihrer Bemerkung bei mir einen wunden Punkt getroffen, den sie wahrscheinlich nicht kannte. Und dass ich mich so verletzt und gekränkt fühle, hat eigentlich weniger mit der Situation und der Freundin zu tun, sondern mit mir selbst. Das zu erkennen sei der erste Schritt zum Verzeihen, sagt unsere Studioexpertin:
"Also dass ich gucke: Wo ist mein Schmerz eigentlich angesiedelt? War das wirklich in dieser Auseinandersetzung oder in diesem Satz der Freundin? Oder hat sie damit gar nichts zu tun? Wenn ich das akzeptiere und dann noch verstehe, was mir da eigentlich weh tut, dann kann ich doch sagen: War ein blöder Satz. Aber Schwamm drüber!"
Der Wunsch nach Versöhnung im Alter
Im Alltag werden ungelöste Konflikte oft vergessen oder verdrängt, manchmal jahrelang. Im höheren Alter aber taucht dann häufig der Wunsch auf, solche Streitigkeiten beizulegen. "Sein Leben zu regeln, auch zu schauen: Kann ich noch Konflikte lösen?" Das sei ein menschliches Grundbedürfnis im Alter, meint Angelika Rohwetter:
"Vielleicht werden wir ein bisschen klüger. Vielleicht werden einfach auch Dinge klarer. Und wir spüren, dass es eine Last ist, nicht verziehen zu haben."