
Karneval Ü50 – Von halb so wild bis je oller je doller
Stand: 18.02.2023, 00:00 Uhr
Alaaf! Helau! Aloha! Die Lust auf Frohsinn und Ausgelassenheit ist sicher kein Privileg der Jugend. Im Karneval zeigt sich: Auch ältere Jecke lassen es gerne noch ordentlich krachen. Nur bitte nicht ganz so laut …
Von Christoph Tiegel
Die Karnevalsgesellschaft "Düxer (Deutzer, Anm. d. Red.) Clowns" gibt es seit 50 Jahren. Manche Mitglieder sind tatsächlich von Anfang an dabei. Die Clowns sind offen für Jüngere, aber auch ein Beispiel dafür, wie man in Karnevalsgesellschaften alt werden kann, wenn der "anstrengende" Teil des Programms entsprechend anpasst wird. Beispiel Sitzungskarneval: Fast alle großen und kleinen Gesellschaften haben sogenannte "Höschsitzungen" (hösch = leise), Nostalgiesitzungen oder auch "Sitzungen der leisen Töne" im Angebot.
Mehr Reden als Rockmusik
Das ältere Publikum schätze grundsätzlich einen höheren Wortanteil, sagt unser Studiogast, der Kölner Karnevalist Dieter Mummert. Die Älteren legten größeren Wert "auf gute Reden und lustige Auftritte" und bevorzugten musikalisch eher textbetontere Stücke. Laute Rockmusik à la Brings, Kasalla & Co. sei da tendenziell weniger gefragt.
Sitzungen der leisen Töne
Entsprechend gestaltete (leisere) Sitzungen findet man im Internet meist auf Seiten kleinerer Gesellschaften, die ihre Karten nicht über die großen Ticketanbieter vertreiben. Es gibt solche Angebote aber auch von großen Gesellschaften auf den üblichen Ticketplattformen. Noch erholt sich der Karneval von Corona – das erhöht die Chance auf Tickets für ansonsten stets langfristig ausverkaufte Sitzungen.
Brauchtum statt Ballermann
Lauter Partykarneval ist eher was für jüngere Jecke, meint Dieter Mummert, 68. Ihm persönlich fehle da oft das Brauchtum. Nur Musik und Alkohol in bunten Kostümen – das macht für ihn oft kaum noch einen Unterschied zu Ballermann- oder Après-Ski-Feierei. Für richtigen Karneval brauche es mehr.
Alaaf und Helau im Altenheim
Zum Beispiel Enthusiasten, die ihre Kostüme in wochenlanger liebevoller Handarbeit selbst herstellen. Das traditionelle Fischessen am Aschermittwoch. Oder auch die "kölsche Messe" – mit Predigt und Kirchenliedern traditionell "op Kölsch", also in Kölner Mundart. Der Kölner Karnevalist Dieter Mummert betont auch sehr den karitativen Charakter des Fastelovends. Auch im Altenheim und selbst auf der Palliativstation wird gefeiert. Dafür wird von den Gesellschaften ein Programm organisiert, Redner und Musiker treten ehrenamtlich auf.
Plötzlich Prinzessin – mit 68
Für ein bisschen "je oller je doller" steht gewiss das besondere Karnevalserlebnis von Brita Larenz aus Königswinter. Sie erinnert sich noch lebhaft daran, wie einmal in ihrem Siebengebirgsdorf partout keine männliche Tollität aufzutreiben war. Da sprang sie spontan ein. "Ich war also kein Prinzenpaar, auch kein Dreigestirn, ich war eine alleinige Prinzessin." Als Brita-Maria I. – die erste und einzige Prinzessin ganz ohne Prinz – tanzte und schunkelte sie sich dann durch die Session. Mit dem Schwung und der Fröhlichkeit von damals 68 (!) Lebensjahren.