Der Raum ist dunkel. Das ist oft so im Theater, wenn das Licht im Saal ausgeht. Aber diesmal gehen die Scheinwerfer nicht an, die Bühne bleibt schwarz. Die erste Viertelstunde des Stücks "Mit anderen Augen" ist ein Hörspiel aus Sätzen, Geräuschen, leiser Musik. Dann nimmt man langsam Schemen wahr. Es wird heller, aber nie richtig hell. Anderthalb Stunden lang sieht man die Gesichter der Schauspielerinnen und Schauspieler nie ganz genau.
Ein Theaterabend, den Sehende und Sehbehinderte ähnlich erleben – das war die Idee von Regisseurin Selen Kara und dem musikalischen Leiter Torsten Kindermann. Es sind auch einige Menschen mit Blindenstöcken im Saal. Die Musiker spielen mehrere Instrumente, das Ensemble singt oft mehrstimmig. "Sound of Silence" von Simon & Garfunkel ist zu hören, auch "Is there anyone out there" von Ray Charles. "Jeder Ton ist eine Handlung", sagt eine Schauspielerin im Stück.
Das Publikum spürt auf sinnliche Weise, wie es ist, sich vor allem mit den Ohren zu orientieren. Wie spannend Regen klingen kann, zum Beispiel, was man in den Tropfen, die irgendwo aufschlagen, alles hören kann. Oder dass der Wind für Menschen mit eingeschränkter Sehkraft viel poetischer ist als die Sonne. Das Stück hat keine Geschichte. Die kurzen Texte stammen zu einem großen Teil aus Gesprächen mit Sehbehinderten.
"Mit anderen Augen" ist ein einzigartiger Abend. Sehbehinderte haben endlich ein Stück, das wirklich für sie gemacht wurde. Und alle anderen verstehen danach das Blindsein ein bisschen besser. Nach der Vorstellung gehen wenige schnell nach Hause. Weil sie etwas erlebt haben, über das sie sich noch gern unterhalten wollen.
Termine
Am 01. Oktober und 29. Oktober um 19:30 Uhr
Adresse
Schauspielhaus Bochum
Königsallee 15
44789 Bochum