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Linda Watson als Brünnhilde und Michael Weinius als Siegfried im dritten Aufzug

07.05.2018 – Wagner, "Siegfried" in Düsseldorf

Stand: 07.05.2018, 13:50 Uhr

Den Helden Siegfried mag der Regisseur Dietrich W. Hilsdorf offensichtlich nicht. Wie alle Männer in dieser Inszenierung ist er von Renate Schmitzer schmuddelig gekleidet und läuft wie ein dummer Junge durch die Gegend. Beim sogenannten "Waldweben" sitzt er breitbeinig auf einem Tisch und betreibt eine Kindergarten-Philosophie über seine Abstammung. Geradezu tollpatschig benimmt er sich bei der Erweckung von Brünnhilde. Er turnt im Wrack eines Helikopters umher und weiß mit der Frau, die ihn angeblich gerade das Fürchten gelehrt hat, bis zum Schluss nichts anzufangen. Klar, dass Brünnhilde, von Linda Watson mit Schärfe – ein paar Mal sogar klirrend - gesungen, es sich noch mal überlegen will, ob dieser Siegfried der Richtige ist, der sie von dem Feuerfelsen - sprich Hubschrauber – gerade befreit hat.

Das ist keineswegs nur albern, sondern eine hochinteressante und genaue Deutung des "Siegfried"-Schlusses, der ja sonst in ein halbstündiges Sympathie- und Liebesbekundungstaumeln mündet. Hilsdorf hat den Text genau gelesen: "Berühre mich nicht", sagt Brünnhilde und: "Liebe – dich, und lasse von mir". Das ist Ausdruck von Zweifel nicht von Wonne. Und ebenso wird in Düsseldorf an dieser Stelle gesungen und musiziert: alles bedächtig, ohne falsche Emphase.

Seinen Ziehvater Mime bezeichnet Siegfried als "garstigen Gauch", vor ihm ekelt ihm, er will ihn umbringen und tut es später. Auch Mime will Siegfried am liebsten umbringen. Die beiden sind sich ähnlicher, als der Librettist Wagner es uns glauben machen will. Sie hopsen und staksen in der Schmiede im ersten Aufzug wie Pat und Patachon umher und singen vor allem ganz ähnlich. Michael Weinius als Siegfried blendet jeden heldischen Ausdruck aus. Er begibt sich sozusagen auf das sinnierende, erregte Parlando herab, das sonst Mime charakterisiert. Und Cornel Frey zeigt uns diesen eigentlichen Underdog im ganzen "Ring des Nibelungen" sympathischer und souveräner, als ihm das sonst von den Regisseuren zugestanden wird.

Der Wanderer alias Wotan im lumpigen Militärmantel ist, so wie ihn Simon Neal spielt, nur noch ein Schatten seiner selbst. In der "Walküre" hatte er ja schon gesagt, nur das Ende wolle er noch; hier taumelt er diesem, ein altes Fahrrad schiebend, wie betäubt entgegen. Eine "Götterdämmerung" braucht es gar nicht mehr. Nur ein-, zweimal zwingt er sich – auch im Gesang - zur großen Geste, so als wollte Simon Neal zeigen, dass man es mit einem ehemaligen Weltenlenker zu tun hat, dem sein Pathos noch zur Verfügung steht.

Das alles ist von Hilsdorf auf den zweiten Blick wiederum ziemlich fein beobachtet, auf den zweiten Blick, weil auf der von Dieter Richter geschaffene Bühne vier Stunden lang allgemeine Trostlosigkeit einer heruntergekommenen Eisenbahnerwerkstatt verbreitet wird, der Drache wie eine Oldtimerlok aussieht, in deren Kessel Fafner haust und der Hubschrauberrumpf im dritten Aufzug aussieht wie ein Abenteuerspielplatz der Siebzigerjahre.

Man könnte schauen, ob zu diesen szenischen Deutungen Axel Kober mit den Düsseldorfer Symphonikern den passenden musikalischen Ausdruck findet - oder umgekehrt, die Musik der Szene Antrieb gibt. Hat er, am eindrucksvollsten in den gegenseitigen Hassbekundungen Mimes und Siegfrieds im zweiten Aufzug, die geradezu rhetorisch im Orchester nachgezeichnet wurden.

Premiere: 07.04.2018, besuchte Vorstellung: 06.05.2018, in dieser Spielzeit noch am 10.05.2018, ab Januar 2019 im Theater Duisburg

Besetzung:
Siegfried: Michael Weinius
Mime: Cornel Frey
Der Wanderer: Simon Neal
Alberich: Martin Winkler
Fafner: Thorsten Grümbel
Erda: Renée Morloc
Brünnhilde: Linda Watson
Waldvogel; Elena Sancho Pereg

Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Licht: Volker Weinhart
Dramaturgie: Bernhard F. Loges