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28.10.2018 – Wagner, "Götterdämmerung" in Düsseldorf

Stand: 28.10.2018, 13:50 Uhr

Enttäuschung beim Abschluss des Düsseldorfer "Rings" mit dem Regisseur Dietrich W. Hilsdorf. Es schien, als ob dem Altmeister die Puste und die Ideen ausgegangen waren und sich mehr Nachlässigkeiten in der Regieführung ansammelten, als es die viereinhalb Stunden "Götterdämmerungs"-Spieldauer vertragen hätten.

Im "Rheingold" und im "Siegfried" hatte er noch interessante Charakterstudien betrieben und die Underdogs Alberich und Mime zu feinnervigen, ebenbürtigen Antipoden zu den Göttern und Helden aufgewertet und in der "Walküre" eine Familienaufstellung durchgeführt, wie es keine systemische Psychologie besser gekonnt hätte. Jetzt in der "Götterdämmerung" wusste man von den Personen nicht mehr als nach der Lektüre eines Opernführers: Siegfried ein unbedarfter Kraftprotz, Gunther und Gutrune passive Werkzeuge von Hagens Machenschaften und Hagen selbst ein finsterer Bösewicht.

Wenn wenigstens die Bühne dem Auge des Zuschauers Deutungsaufgaben gestellt hätte! Stattdessen sah man die ganze Zeit das Heck eines verrosteten Binnenschiffs mit der wenig sinnigen Aufschrift "MS Wodan". Weil es wohl wegen der Bühnenmaße von Dieter Richter unproportional klein gebaut wurde, wirkten die Personen darauf wie Kinder auf einem Abenteuerspielplatz.

Das Führerhaus auf der dem Zuschauer abgewandten Seite, diente mal als Schlafgemach Brünnhildes, mal als Beobachtungsposten, mal als Auftrittsort von Alberich, mal als Kemenate von Gutrune, je nach dem was die Szene gerade so erforderte. Dann gab es zeitweilig Zwischenvorhänge, einer deutete die Rheinromantik der Loreley (oder das Siebengebirge) an, der andere das Industrieufer bei Duisburg.

Wagner, Götterdämmerung, 2. Aufzug

Wagner, Götterdämmerung, 2. Aufzug

Den größten optischen Effekt machten Hagens Mannen, die als Rote Funken das Schiffswrack bevölkerten (Kostüme Renate Schmitzer). Und in Erinnerung blieb auch eine Art Fahnenritual, bei dem die Flaggen vom deutschen Doppeladler bis zur Hakenkreuzfahne und die des Hammer-und-Sichel-schwarz-rot-gold der DDR über den toten Siegfried gelegt wurden, der sich zum Sterben vorher gerade noch in das Unterdeck geschleppt hatte. Das Feuer, das laut Wagner sich zum finalen Weltbrand entwickeln soll, war ein Feuerchen, als ob man in der Kombüse des Schiffswracks mal nachschauen müsste, ob da auf dem Herd etwas anbrennt. Schließlich standen da noch am Kai ein Plastiktisch und Stühle, an dem die Nornen Kaffee tranken und Gunther seinen Frust mit einer Weinflasche ertränkte. Das alles wirkte irgendwie lieblos und nachlässig.

Reden wir also von den Sängern und vom Orchester. Letzteres führte Axel Kober besonders in den Zwischenspielen mit energischem symphonischen Gestaltungswillen. Im Trauermarsch hörte man ein Ziehen und Dehnen und nicht nur den repräsentativen Bombast des Blechs. Den Übergang von der Nornenszene zu Brünnhildes Ausruf "Zu neuen Taten" gestaltete er langsam und nachsinnend, Siegfrieds Rheinfahrt im genau abgestimmten Mezzoforte, fröhlichhüpfend artikuliert wie Kammermusik und immer wieder die Hornrufe mit Nah- und Fernwirkungen ein räumliches Panorama entfalteten.

Die musikalischen Höhepunkte waren die Auftritte von Hagen. Sein Ruf "Gute Waffen! Starke Waffen!" dröhnte, grundiert vom tiefen Blech, bedrohlich in den Raum. Hans-Peter König entfaltete eine Stimmgewalt, die sich ohne Weiteres mit den Posaunen im Einklang verband. Dabei blieb er sonor und artikulierte rhetorisch präzise. Durch seine Bühnenpräsenz, die sich nicht nur durch seinen massigen Körper einstellte, sondern auch durch waches Agieren, entwickelte er den Hagen letztlich zur Hauptfigur. Demgegenüber blieb Michael Weinius als Siegfried diesmal blass, nicht nur weil der Regisseur ihm wie schon in "Siegfried" die Rolle des unbedarften Tölpels zugewiesen hatte, sondern auch weil er stimmlich merkwürdig unentschlossen zwischen erzählerischer Beiläufigkeit und gelegentlicher heldischer Emphase schwankte. Konditionell meisterte er die Partie ohne weiteres. Linda Watson als Brünnhilde war immer dann gut, wenn sie mit voller Kraft ihre Wut und Verzweiflung herausschreien konnte wie bei "Wotan! Ergrimmter, grausiger Gott", als Siegfried in Gunthers Gestalt sich ihrer bemächtigte. In den Mittellagen aber hatte ihre Stimme etwas Klirrendes etwa in der langen Schlussszene, "Starke Scheite schichtet". Dagegen bei "Ruhe, du Gott" verströmte sie eine dunkle Klangschönheit. Bogdan Baciu als Gunther legte in seinen Gesang eine Art reflexive Beweglichkeit, so dass er dieser Figur trotz der Jämmerlichkeit, in die sie der Regisseur setzte, eine Eigenständigkeit mitgeben konnte.

Im Schlussapplaus zeigte die sich das Publikum so engagiert und Wagner-kundig wie in Bayreuth. Große, freilich abgestufte Zustimmung für die Sänger und den Dirigenten, Ratlosigkeit und deutliche Buhs für das Regieteam.

Premiere: 27.10.2018, noch bis zum 23.06.2019 auch im Theater Duisburg

Besetzung:
Siegfried: Michael Weinius
Gunther: Bogdan Baciu
Alberich: Michael Kraus
Hagen: Hans-Peter König
Brünnhilde: Linda Watson
Gutrune: Sylvia Hamvasi
Waltraute: Katarzyna Kuncio
Drei Nornen: Susan Maclean, Sarah Ferede, Morenike Fadayomi
Rheintöchter: Anke Krabbe, Kimberley Boettger-Soller, Ramona Zaharia

Chor und Extrachor der Deutschen Oper am Rhein
Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung: Axel Kober
Inszenierung: Dietrich W. Hilsdorf
Bühne: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Licht + Video: Volker Weinhart
Chorleitung: Gerhard Michalski
Dramaturgie: Bernhard F. Loges, Anna Grundmeier