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26.05.2019 – Verdi, "Les vêpres siciliennes" in Bonn

Stand: 26.05.2019, 13:50 Uhr

Der beste deutsche Verdi-Dirigent ist Will Humburg. Ich wüsste keinen, der sich mit solcher Verve für die unbekannten frühen Verdi-Opern einsetzt, wie er es z.B. an der Oper Bonn mit „Giovanna d’Arco“, „Jérusalem“ oder „Attila“ getan hat, der aber auch bei den Klassikern wie neulich bei „Rigoletto“ in Wiesbaden oder jetzt bei „Les vêpres siciliennes“ - wiederum in Bonn - immer diesen Ton aus dramatischen Zugriff, energischem Tempodrang und zugleich klanglicher Raffinesse trifft.

Das fing bei der „Sizilianischen Vesper“ schon mit Ouvertüre an: ein kraftvolles Musizieren voller Details, als ob ein musikalischer Bildhauer aus dem Marmor der Verdischen Partitur eine Skulptur schlägt. Oder die lange Ballettszene im dritten Akt, die Humburg und das Bonner Beethovenorchester schallplattenreif ablieferten.

Dieser Impetus übertrug sich immer wieder auf die Sänger. Hélènes verkapptes Revolutionslied am Anfang der Oper klang bei Anna Princeva zunächst etwas zögerlich, und auch das Timbre ihrer Stimme wird man nicht umstandslos als schön bezeichnen, aber als Humburg sie dann in den drängenden Orchesterklang einbettete, steigerte sie sich geradezu in den Furor wie den einer Lady Macbeth. Ebenso der französische Tyrann Montfort. Sein großes Solo im dritten Akt, wo er sich nach der Zuneigung des Sohnes, des sizilianischen Freiheitskämpfers Henri sehnt, wirkte bei Davide Damiani hier und da gesanglich zunächst nicht vollends durchgestaltet. Aber auch ihn führte das Orchester schließlich zu einer überzeugenden musikalischen Charaktergestaltung. So etwas gelang bei Leonardo Caimi als Henri kaum einmal. Er wollte einfach von seiner larmoyanten Tenorattitüde nicht ablassen. Erst im 5. Akt bei „La brise souffle au loin“ schlug er einen leichten volksliedhaften Ton an. Pavel Kudinov lieferte als Procida das berühmte Vaterlandslied „E toi, Palerme“ mit dem in vielen Baritonpartien von Verdi so nützlichen und vom Publikum immer dankbar aufgenommenen warmen melancholischen Timbre ab. Dann hätte man aber noch gerne ein gestaltetes Beben in der Stimme, wenn er zum Kampf aufruft, vernommen.

Die szenische Umsetzung von David Pountney war auf Opulenz und Reduktion zugleich bedacht. Da gab es aufwändigste Kostüme von Marie-Jeanne Lecca zu sehen, etwa die in Prachtuniformen gekleideten Franzosen oder die als Blutritual gestalteten Hochzeitsvorbereitungen im vierten Akt. Am Anfang werden die Franzosen auf meterhohen Thronstühlen umher geschoben. Das erhebt sie über die unterdrückten Sizilianer, aber macht sie zugleich ohnmächtig und unbeweglich, ein schöner Einfall!

Anna Princeva als Hélène im ersten Akt von Verdis "Les vêpres siciliennes"

Anna Princeva als Hélène im ersten Akt von Verdis "Les vêpres siciliennes"

Die Bühne von Raimund Bauer ist schwarz. Sie wird gegliedert durch bewegliche Rahmen. In einem wird Hélène nach dem Kirchgang bei ihrem ersten Auftritt hereingeschoben und dadurch wie in eine andere Sphäre entrückt. Gleichzeit dienen diese Rahmen, um 90 Grad gedreht, als Mauern und bilden, ohne dass man viel anderes zeigen müsste, den Kerker im vierten Akt, alles Bühneneinfälle, die schlicht aussehen, aber immer das Augenmerk auf das Wesentliche richten.

Allerdings gelingt es Pountney in den psychologischen Szenen nicht, etwa als Henri als vermeintlicher Verräter im Kerker auf Hélène trifft, ein wirkliches Personenspiel zu inszenieren. Auch die Begegnung zwischen Montfort und Henri blieb szenisch blass.

Wäre da noch der Tanz. Caroline Finn choreographiert anstelle eines Jahreszeitenballetts, wie es das Libretto vorgibt, eine Mischung aus Ausdruckstanz und Handlungsballett, das die Vorgeschichte der Liebschaft zwischen Montfort und Henris Mutter illustriert, das beiden sich von der Seite mehr oder weniger unbeteiligt anschauen. Das hatte insgesamt etwas sehr Unentschlossenes: so richtig konnte sich die kleine sechsköpfige Kompagnie – auch durch die an dieser Stelle unaufgeräumte Bühne - nicht in den Vordergrund tanzen.

Alles in allem aber ein sehr lohnenswerter Abend von Verdis „Sizilianischer Vesper“ in der französischen Originalfassung, die vom Publikum mit langem, stehendem Applaus bedacht wurde.

Premiere: 25.05.2019, noch bis zum 05.07.2019

Besetzung:

Hélène: Anna Princeva
Ninette: Ava Gesell
Henri: Leonardo Caimi
Guy de Montfort: Davide Damiani
Jean Procida: Pavel Kudinov
Thibaut: Jeongmyeong Lee
Danieli/Mainfredo: David Fischer
Robert: Giorgos Kanaris
Le Sire de Bethune: Leonard Bernad
Le Comte de Vaudemont: Martin Tzonev
Tänzerinnen und Tänzer: Jessica Akers, Hellen Boyko, Paula Niehoff, Javi Ojeda Hernandez, Jack Widdowson, Hayato Yamaguchi

Chor und Extrachor des Theater Bonn
Beethovenorchester Bonn

Musikalische Leitung: Will Humburg
Regie: David Pountney
Bühne: Raimund Bauer
Kostüme: Marie-Jeanne Lecca
Licht: Thomas Roscher
Choreographie: Caroline Finn
Choreinstudierung: Marco Medved