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Richard Strauss, "Salome" bei den Salzburger Festspielen

18.08.2018, Richard Strauss, „Salome“ bei den Salzburger Festspielen

Stand: 18.08.2018, 13:50 Uhr

Jochanaan ist ein schwarzes Pferd, ein lebendiges Pferd, das sich in der Bühnenvertiefung zu einer brutal brüllenden Musik bewegt, nachdem der Täufer Salome verflucht hat. Diese Vertiefung ist die Zisterne, in der Jochanaan haust, aus der Stallknechte Haare und Schmutz ziehen. Gábor Bretz singt mit dumpfer drohender Stimme seine Verwünschungen. Er bewegt sich in der Sphäre des Animalischen nicht des Prophetischen.

Vorher war er aus dem Loch auf den glänzenden, glatten Bühnenboden gestiegen, der als bloße Fläche den Palast des Herodes kennzeichnet. Dabei erscheint er als schwarzer Vogel im Schatten einer schwarzen Sonne. Sonne und Vogel sind die Visionen, die später Herodes plagen. Romeo Castellucci hat die Galerien der Felsenreitschule zurückgebaut, so dass sich senkrecht zum Palastboden eine rauer Fels erhebt, als sprechender Stein, wie im Programmbuch zu lesen ist, obwohl die Münder der Galerien verschlossen sind. Beim Schleiertanz sitzt Salome hinter einem großen altarähnlichen Würfel und blickt starr auf diese Mauer.

Romeo Castelluccis Inszenierung ist voll von solchen Bezügen, die er hinzugedacht oder auch genau auf das Textbuch bezogen hat, z.B. wenn Herodes anstelle von Jochanaans Kopf Salome farbige Topase geben will, die von Form farbigen Körpern in durchsichtigen Plastiksäcken auf die Bühne gezerrt werden.

Statt des Kopfes werden der Rumpf von Jochanaan und ein Pferdekopf präsentiert. Es geht um das Abgeschlagen-Haben, nicht um das Präsentieren einer Trophäe, das Castellucci zeigen will, ein archaischer, grausiger Akt, den er in einen Gegensatz zu den Johannes-Täufer-Motiven der Barock-Malerei bringt, aus denen der Kopf meist verklärt blickt.

Dieses Geschehen auf der Bühne strahlt Klarheit und eine merkwürdige kraftvolle Ordnung aus. Castellucci hat eine vielschichtige Installation aus eigenem Kunstanspruch gebaut, die sich doch überraschend bruchlos zum szenischen Geschehen fügt, mit ständigem Bezugspunkt auf die litauische Sängerin Asmik Grigorian als Salome im schlichten weißen Kleid, die alles das in der Premiere in sich aufsog und stimmlich zu entäußern wusste. Bei besuchten Vorstellung musste sie krankheitshalber durch Malin Byström ersetzt werden. Die Furcht, dass ohne Grigorian alles in sich zusammenfallen könnte, war unbegründet., Byström fügte eine Variante hinzu, indem sie die Salome noch ein Stück zerbrechlicher erschienen ließ, gleichzeitig mit dem Ausdruck triebhafter Unbedingtheit („Ich habe Deinen Mund geküsst“). Dass sie ohne Probe sich in diese Konstellation hinein gefunden haben soll, vemag man nicht zu glauben.

Oder man attestiert dem Dirigenten Franz Welser-Möst eine stupende Geistesgegenwart, wie er sie in seine Klangskulpturen integrierte, die er – nicht weniger ambitioniert als Castellucci – aus dem Rohmaterial von Strauss schuf: impressionistische Edelsteine im Tanz der sieben Schleier, nervöses Flackern im Orchester, sobald John Daszak als Herodes, mal kindlich flehend, mal Unheil ahnend, sich hastig und fiebernd erwehrt, bis zum konvulsivischen Schluss „Man töte diese Frau“.

Premiere: 28.07.2018, besuchte Vorstellung: 17.08.2018, noch am 21.und 27.08.2018

Besetzung:

Herodes: John Daszak
Herodias: Anna Maria Chiuri
Salome: Malin Byström (am 17.08.)
Jochanaan: Gábor Bretz
Narraboth: Julian Prégardien
Ein Page der Herodias: Avery Amereau
Erster bis fünfter Jude: Matthäus Schmidlechner, Mathias Frey, Patrick Vogel, Jörg Schneider, David Steffens
Erster und zweiter Nazarener: Tilmann Rönnebeck, Paweł Trojak
Kappadozier: Neven Crnić
Erster und zweiter Soldat: Henning von Schulman, Dashon Burton

Wiener Philharmoniker

Musikalische Leitung: Franz Welser-Möst
Regie, Bühne, Kostüme und Licht: Romeo Castellucci
Choreografie: Cindy Van Acker
Künstlerische Mitarbeit: Silvia Costa
Dramaturgie: Piersandra Di Matteo
Mitarbeit Bühne und Licht: Alessio Valmori, Marco Giusti