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12.03.2018 – Richard Strauss' "Arabella" in Wiesbaden

Stand: 12.03.2018, 13:50 Uhr

Es gibt in Richard Strauss' Oper "Arabella" einen Moment, den man eigentlich gar nicht verstehen kann: Der Leutnant Matteo wird von Zdenka mit einem Hotelzimmerschlüssel ausgerüstet und meint, ein Liebesabenteuer mit seiner angebeteten Arabella zu erleben und merkt nicht, dass es deren Schwester Zdenka ist, mit der er schläft.

Der Regisseur und Intendant Uwe Eric Laufenberg hat bei seiner Inszenierung am Wiesbadener Staatstheater dieser operettenhaften Szene eine überraschende Plausibilität gegeben, indem er in die lange Zwischenaktmusik ein sehr gut gemachtes Video von Gérard Naziri einbaut, bei dem man nicht nur denkt, ja, so könnte man Sex haben, ohne sich zu erkennen, sondern auch noch zeigt, dass "Arabella" 1933 uraufgeführt wurde und die Nazi-Machthaber auch sofort das Musikleben in Beschlag nahmen. Damit ist jede Operettensüßlichkeit getilgt, auch dadurch dass Laufenberg im dritten Akt Menschen mit beschädigten Seelen vorführt. Dass Arabella und Mandryka einmal glücklich werden, glaubt man nicht mehr. Umgekehrt hat Laufenberg schon ganz am Anfang der Oper auf eine fast beiläufige Weise gezeigt, dass Zdenka nicht, wie es das Libretto von Hofmannsthal glauben machen will, ein unbedarftes Wesen im Bubenkostüm ist, sondern eine vom ersten Wort an selbstbewusste Frau mit Empathiefähigkeit, die mit dringlicher Energie und auch immer wieder mit betörender Anmut von Katharina Konradi gesungen wird. So gesehen ist „Arabella“ in Wiesbaden eben nicht die letzte chauvinistische Oper im Wohlklang, für die man sie wegen Arabellas Aussprüchen wie „Du sollst mein Gebieter sein und ich Dir untertan“ oft hält.

3. Akt von Richard Strauss‘ „Arabella“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

3. Akt von Richard Strauss‘ „Arabella“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Das Bühnenbild von Gisbert Jäkel reflektiert die Doppelgesichtigkeit der Stücks. In dem rot eingefärbten pompösen Ballsaal im 2. Akt wirken die Personen immer hilflos, weil sie riesige Wege gehen müssen, um zueinander zu sprechen. Im 3. Akt werden sie dann auf einem Sofa mit nach vorne umkragenden Seitenlehnen förmlich zusammenzwängt und im 1. Akt beobachtet man das Geschehen wie ein Analytiker durch ein riesiges, Distanz schaffendes Passepartout, während sich an den Seiten schemenhaft hinter Gazevorhängen die Nebenhandlungen ereignen.

Doppelgesichtig ist auch die Partitur von Richard Strauss: Der Wiesbadener GMD Patrick Lange zelebriert dies geradezu, indem er vom raschen Konversationston und einem geradezu rhetorischen Orchestersatz sofort umschalten kann in den schönsten Wohllaut wie bei Arabellas „Aber der Richtige - wenn's einen gibt für mich auf dieser Welt“. Patrick Lange kennt das Stück offenbar sehr gut und will ihm zu seinem musikalischen Recht verhelfen. Seine Mittel sind handwerklich ausgefuchste Balanceakte zwischen klar und schwelgend.

Auch bei den Sängern gibt es in dieser Produktion die eine wie den anderen: operettenhaft Wolf Matthias Friedrich als Graf Waldner mit beweglichem Bassbuffo mit komischen Spieltalent, Sabina Cvilak als eine erratische, unnahbare Arabella wie eine griechische Statue. Den Leutnant Matteo stellt Thomas Blondelle mit seiner Tenorpotenz als triebgesteuerten Dümmling wie in einer Soap Opera dar, während Ryan McKinny im Gesang wie in der Mimik den Mandryka mit einer Mitleid erregenden Larmoyanz versieht. Und – wie gesagt – neben und über allen – als heimliche Hauptrolle die Zdenka von Katharina Konradi, bei ihr eine Person von Mozartscher Tiefe.

Premiere: 11.03.2018, noch bis zum 22.05.2018

Besetzung:

Graf Waldner: Wolf Matthias Friedrich
Adelaide Romina: Boscolo
Arabella: Sabina Cvilak
Zdenka: Katharina Konradi
Mandryka: Ryan McKinny
Matteo: Thomas Blondelle
Graf Elemer: Aaron Cawley
Graf Dominik: Benjamin Russell
Graf Lamoral: Alexander Knight
Fiakermilli: Gloria Rehm
Kartenaufschlägerin: Maria Rebekka Stöhr

Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Chor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden

Musikalische Leitung: Patrick Lange
Inszenierung: Uwe Eric Laufenberg
Bühne: Gisbert Jäkel
Kostüme: Antje Sternberg
Chor: Albert Horne
Licht: Andreas Frank
Dramaturgie: Katja Leclerc