16.10.2020 – Elam Rotem, „Joseph und seine Brüder“ in Köln

Stand: 16.10.2020, 12:25 Uhr

Ein biblisches Oratorium in hebräischer Sprache, komponiert von einem israelischen Musiker des 21. Jahrhunderts im italienischen Stil des 17. Jahrhunderts: Das ist Elam Rotems „Rappresentatione di Giuseppe e i suoi fratelli“, zu deutsch: "Musiktheater über Joseph und seine Brüder". Aufgeführt wurde es vom Komponisten selbst und seinem Ensemble Profeti della Quinta in der Kölner Lutherkirche.

Erzählt wird die Geschichte aus dem Alten Testament von der Vertreibung Josephs nach Ägypten, seinen Traumdeutungen am Pharaonenhof, den Prüfungen der Brüder, dem Schmerz des Vaters Jakob, ziemlich genau so, wie es in der Bibel steht.

Elam Rotem wurde 1984 in einem Kibbuz geboren, studierte Cembalo in Jerusalem und ging dann nach Basel an die Schola Cantorum Basiliensis. An dieser Hochschule wird die historische Aufführungspraxis gelehrt, d.h. eine möglichst genaue Beschäftigung mit den Quellen und den historischen Musizierstilen. Rotem wollte dabei nicht stehen bleiben, sondern diese Methode mit eigenen Kompositionen weiterverfolgen. Daraus ist sein Konzept einer Neuen Alten Musik geworden, die mehr ist als bloße Stilkopie.

Elam Rotem singt und spielt das Cembalo in „Joseph und seine Brüder“

Elam Rotem singt und spielt das Cembalo in „Joseph und seine Brüder“

In „Joseph und seine Brüder“ zeigt sich das Neue im Alten in einer Art von Dringlichkeit und Schärfung des Ausdrucks, die man bei Rotems Vorbildern, seien es die Opern Monteverdis oder die Werke von Emilio de‘ Cavalieri, nicht findet.

Wie später bei Bach ein Evangelist tritt hier ein Erzähler auf, deren Worte von dem Countertenor Doron Schleifer im Tonfall einer ständigen Grunderregung vorgetragen werden. Immer wieder wird aber das Vokalquintett in diese Schilderung einbezogen. Man hat sozusagen eine Ausdrucksintensivierung durch klangliche Spreizung. Die Stimme des Erzählers vervielfacht sich in den Timbres und Stimmlagen. Zwar hat man den Wechsel zwischen polyphonem Madrigalstil und dem recitar cantando auch bei den frühesten Opern - schon nicht mehr bei Monteverdi -, aber eben nicht in dem durchaus modernen Konzept der Rollendissoziation. Im dritten Akt verlässt Elam Rotem den Duktus des italienischen Frühbarocks, zwar nicht vom Tonsatz her, aber wiederum im Ausdruck. Hier hört man die weit ausladenden Klagen des Vaters Jakob („Ihr beraubt mich meiner Kinder“) in schneller hebräischer Deklamation und Artikulation. Das klingt fast wie der Klagesang eines Rabbi. Elam Rotem zeigte sich verwundert über diese Assoziation: „Hierfür gebe es – außer ein wenig bei Salomone Rossi – keine Quellen“. Aber natürlich sei der Ausdruck an dieser Stelle intensiviert, bevor er das Stück beim biblischen Happyend der Versöhnung der Brüder wieder in den tänzerischen italienischen Stil zurückfallen lässt.

In der vom Zentrum für Alte Musik (ZAMUS) organisierten Nachholaufführung von dem im März ausgefallenen Kölner Fest für Alte Musik spielte Rotems Ensemble Profeti della Quinta in einer Besetzung des 17. Jahrhunderts mit einfach besetzten Streichern, dazu Theorbe, Orgel und Cembalo, mit Rotem selbst an den Tasten und die Basspartie von ihm gesungen.

Er ist ein echtes Multitalent, und man glaubt ihm sein Konzept von der Neuen Alten Musik, weil er das Neue im Alten ohne Effekte subkutan zu vermitteln weiß.

15.10.2020 (einzige Aufführung), am 25.10.2020 um 20:04 Uhr in WDR 3 Oper

Besetzung:
Doron Schleifer & David Feldman (Countertenor)
Lior Lebovici & Jacob Lawrence (Tenor)
Elam Rotem (Bass, Cembalo & künstlerische Leitung)
Profeti della Quinta