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01.11.2021 - Carl Nielsen, „Maskerade“ in Frankfurt/Main

Stand: 01.11.2021, 09:30 Uhr

Carl Nielsen ist der dänische Nationalkomponist und Ludvig Holberg der dänische Nationaldichter, so sehr, dass 1906 bei der Uraufführung der Oper „Maskerade“ (bzw. Maskarade so der Originaltitel) einige Kritiker bemängelten, der Librettist Vilhelm Andersen habe Holbergs beliebte Komödie aus dem Jahr 1724 durch seine Liebe zum Reimen verballhornt. Es kommt also auf den Sprachwitz an und deswegen hat für die Frankfurter Aufführung der Autor und Musical-Übersetzer Martin G. Berger die „Maskerade“ in deutscher Sprache gereimt, dass es einem aus den Ohren keimt. Das ist ungefähr die Tiefe dieser Reimpoesie, die sich über zweieinhalb Stunden in jeder Sekunde bekundet, verstärkt dadurch, dass die Verse in dicken Lettern mitten ins Bühnenbild als grafisches Element gesetzt werden.

Durch diesen Zwang zum Reimen wird aber die Geschichte von Leander ziemlich verhüllt, Leander, der sich auf einem Maskenball unsterblich verliebt, was dem Vater Jeronimus nicht passt, weil er den Sohn mit der Tochter des Geschäftsfreunds Leonard verheiraten will, die sich am Ende als die Angeschwärmte entpuppt. Die Idee des Stücks ist freilich, dass durch die Maskerade dünkelhafte Standesgrenzen überwunden werden, was auch der Jeronimus einsehen muss. Ein aufklärerisches Stück also, und zwar nicht nur hintersinnig, sondern ganz plakativ, wenn es einmal heißt: „Da zittert die alte Bourgeoisie“ oder Leander ausruft: „Klares, freies 18. Jahrhundert“.

Carl Nielsen, „Maskerade“ an der Oper Frankfurt

Carl Nielsen, „Maskerade“ an der Oper Frankfurt

Aufklärerisch auch, weil Leanders Diener Henrik wie der Figaro bei Mozart zur heimlichen Hauptfigur avanciert, was allerdings durch Liviu Holender in der Frankfurter Inszenierung von Tobias Kratzer nicht eingelöst wird. Überhaupt bleiben alle Figuren, die entweder in weiße Unterwäsche oder in bunte Karnevalskostüme gesteckt werden, merkwürdig blass. Weder begehrt Henrik richtig auf, sondern bleibt ein dümmlicher Macho, weder zeigt Michael Porter den Leander als einen Menschen von echtem Pathos, obwohl ihm Nielsen eine Reihe von ebensolchen Tenornummern auf den Leib geschrieben hat. Es bleiben auch Geschäftsfreund Leonard (Michael McCrown mit klarer Diktion), der mit Jeronimus‘ Ehefrau Magdelone (Susan Bullock in matronenhafter Gespreiztheit) anbändelt, ja selbst Jeronimus (Alfred Reiter in gespielter Buffomanier) Staffage in einer Kolportage.

In der Frankfurter Aufführung wird nicht recht deutlich: ist das jetzt alles Slapstick, Satire oder doch Seriosität? Ersteres wahrscheinlich, denn Nielsens Musik kennt hier keinen wirklichen Ernst. Man hat seinen Stil als postmodern avant la lettre bezeichnet. Er ergeht sich in flotten Rossiniaden oder Offenbachiaden, in meistersingerlichem Biedersinn und in tschaikowskyhafter Musikpantomik im dritten Akt mit langen Balletteinlagen und einer regelrechte Stummfilmszene.

Titus Engel führt das Frankfurter Opern- und Museumsorchester schmissig durch den Abend. Und gesungen wird durchweg auf hohem und textverständlichem Niveau. Aber dass das die dänische Nationaloper sein soll, will man danach nicht recht glauben.

Premiere: 31.10.2021, noch bis zum 04.12.2021

Besetzung:
Jeronimus: Alfred Reiter
Magdelone, seine Frau: Susan Bullock
Leander, ihr Sohn: Michael Porter
Henrik, Leanders Kammerdiener: Liviu Holender
Arv, Jeronimus' Diener: Samuel Levine
Leonard: Michael McCown
Leonora, seine Tochter: Monika Buczkowska
Pernille, Leonoras Zofe: Barbara Zechmeister
Ein Nachtwächter / Meister der Maskerade: Božidar Smiljanić
Ein Maskenverkäufer: Danylo Matviienko
Ein Magister: Gabriel Rollinson
Blumenverkäufer: Joel Stambke

Chor der Oper Frankfurt
Frankfurter Opern- und Museumsorchester

Musikalische Leitung: Titus Engel
Choreinstudierung: Tilman Michael
Inszenierung: Tobias Kratzer
Bühnenbild und Kostüme: Rainer Sellmaier
Licht: Joachim Klein
Choreografie: Kinsun Chan
Dramaturgie: Konrad Kuhn