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29.11.2019 –Philipp Christoph Kayser, "Scherz, List und Rache" in Leverkusen

Stand: 29.11.2019, 12:25 Uhr

Kaum zu glauben dass es nach über 232 Jahren noch eine richtige Uraufführung einer Oper geben kann und das sogar, wenn Goethe der Librettist ist, der ein großes Interesse an der Platzierung seiner Singspiele an den Bühnen hatte. Eine solche Uraufführung fand im Bayer Erholungshaus in Leverkusen statt mit dem Ensemble L’arte del mondo unter Werner Ehrhardt, der an dieser intimen Spielstätte schon seit vielen Jahren Opernraritäten präsentiert. Es ist die Rede von dem Singspiel "Scherz, List und Rache" von Philipp Christoph Kayser, ein Dreipersonenstück mit großem Orchester.

Zwar gab es schon 1993 einen Aufführungsversuch in unserer Zeit im thüringischen Groß Kochberg, aber mit reduziertem Orchester und vielen Kürzungen, so dass man in Leverkusen sich den Status der Uraufführung zurecht zumessen kann.

Dass das 1787 entstandene Stück damals nicht aufgeführt wurde, lag wohl vor allem an der Behäbigkeit des Komponisten Kayser, ein Jugendfreund Goethes, der extrem langsam arbeitete und auch sehr weitschweifig komponierte, so dass auch die Leverkusener Aufführung nicht ganz ohne Kürzungen auskam.

Eine Uraufführung zu Goethes Zeiten war in Weimar schon geplant, aber es kam zum Streit. Markus Schwering, der Vorsitzende der Kölner Goethegesellschaft, der "Scherz, List und Rache" Werner Ehrhardt empfahl, sagt, an diesem Stück könne man sehen - überhaupt an Goethes Interesse am deutschen Singspiel - dass der Dichterfürst mitnichten der Erfolgsmensch war, als den wir ihn heute sehen. Die Liste seiner gescheiterten Projekte sei lang.

Florian Götz, Annika Boos und Cornel Frey in: „Scherz, List und Rache“ von Philipp Christoph Kayser

Florian Götz, Annika Boos und Cornel Frey in: „Scherz, List und Rache“ von Philipp Christoph Kayser

"Scherz, List und Rache" ist aber ein gutes Stück. Es transformiert das Genre der italienischen komischen Oper ins Deutsche: Das junge Paar Scapine und Scapin fühlt sich vom alten Doktor um ihr Erbe geprellt. Sie inszenieren eine scheinbare Vergiftung, indem sie Medikamentenflaschen vertauschen, so dass der Doktor glauben soll, er sei schuld sei und eine Gelegenheit geschaffen wird, ihn zu erpressen. Das wird von den drei jungen Sängern Annika Boos, Cornel Frey und Florian Götz hinreißend gesungen und brillant gespielt unter Anleitung des Regisseurs Igor Folwill. Die Situationskomik in den Gesten und Mimik wird nie zu derb und nie zu ernst, und der Gesang aller drei ist – obwohl Mammutpartien - leicht, immer genau witzig und von großer stimmlicher Variabilität.

Die Orchestersprache von Kayser ist aber ganz anders als die der italienischen Vorbilder, die Goethe im Sinn gehabt haben könnte. Da gibt es an jeder Ecke überraschende instrumentale Effekte mit Hörnern, Englischhorn, Flöten, Klarinetten, Streichertremoli, alles was der Orchestermalkasten hergibt. Werner Ehrhardt gelingt es, dieses musikalische Panoptikum unter theatralischen Fluss und Guss zu fassen, so dass man, je länger der Abend dauert (Spieldauer über zwei Stunden), immer bereitwilliger sich von Goethes Hervorbringung im komischen Stil mitreisen lässt.

Aufführung am 28.11.2019 im Bayer Erholungshaus Leverkusen

WDR 3 ist neben Bayer Kultur Mitproduzent. Die Aufnahme ist auf WDR 3 am 13.06.2020 zu hören.

Besetzung:
Scapine: Boos, Annika
Scapin: Frey, Cornel
Doktor: Götz, Florian

L’arte del mondo
Musikalische Leitung: Ehrhardt, Werner
Regie: Igor Folwill
Dramaturgische Beratung: Markus Schwering
Klavierauszug: Hermann Dechant