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Kai Wessel, Dirigent von "Gli amori d'Ergasto" in der Kölner Trinitatiskirche

11.01.2021 - Jakob Greber, „Gli amori di Ergasto“ in Köln

Stand: 11.01.2021, 12:25 Uhr

In der Alten-Musik-Szene gibt es zwei Tendenzen. Die eine: Klassiker des Repertoires in ausgefeilten Spielweisen darzubieten, Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ mit exaltierten Improvisationen und regelrechten Soundscapes z.B. wie vor einiger Zeit die Version von Concerto Köln oder Bachs Brandenburgische Konzerte quasi als Freiluftmusik wie jüngst das italienische Ensemble Zefiro. Zwei durchaus interessante Beispiele.
Wichtiger sind aber wahrscheinlich andere Ambitionen: nämlich unbekannte Werke zu entdecken, solche die es wert sind, wiederaufgeführt zu werden. Und da ist der Countertenor, Dirigent und Hochschulprofessor Kai Wessel ein versierter Schatzsucher. Schon zum dritten Mal hat er im Forum Alte Musik Köln eine echte Trouvaille präsentiert: diesmal eine Pastoraloper von Jakob Greber, die unter dem Namen „Gli amori d’Ergasto“ bekannt geworden ist.

„Gli amori d‘Ergasto“. war die erste italienische Oper, die auf englischem Boden aufgeführt wurde, komponiert von einem Deutschen. Von der Aufführung in London im Jahr 1705 ist nur das Libretto erhalten. Einer Innsbrucker Aufführung von 1713 verdanken wir aber die Noten einer weiteren Greber-Oper, die Musikhistoriker irrtümlich mit „Gli amori d’Ergasto“ gleichgesetzt haben. Nun hat sich erst kürzlich ein Libretto-Druck des Werkes gefunden. Und dort lautet der Titel: „La Ninfa contenta“ - „Die zufriedengestellte Nymphe“.

Und dieses Stück erklang nun 290 Jahre später zum ersten Mal wieder in Köln. Hier geht es um zwei Liebespaare, die in der utopischen Landschaft Arkadiens um gegenseitige Zuneigung werben. Die Nymphe Aigle ist dem freiheitsliebenden Nisos versprochen. Der will sich aber vorerst noch nicht festlegen. Corinna wird hingegen von Aminta begehrt, die es wiederum ebenfalls auf Nisos abgesehen hat, was diesem nicht unrecht ist. Allerdings wird er in ein Handgemenge verwickelt, wird auf der Flucht festgesetzt und zum Tode verurteilt. Er sieht seine Schuld ein. Aber gerade noch rechtzeitig stellt sich heraus, dass Nisos und Corinna sowie Aminta und Aigle Geschwister sind und einer Überkreuzheirat nichts mehr im Wege steht.

Kai Wessel deutet diesen Plot als eine Allegorie auf Kaiser Karl VI. und seine Frau Elisabeth Christine, die als 13jährige mit Karl verlobt, mit diesem in einer Ferntrauung verehelicht wurde und erst nach langen neun Jahren mit ihm in Wien zusammenleben konnte.

Grebers Musik ist einfach, aber von großem Charme in den Melodien und sehr reizvollen Instrumentierungen, z. B. wenn die Traversflöte, die in einer einzigen Arie auftaucht, zu Aigles angstbesetzen Worten „Tra l’orror di queste piante…“ besänftigende Töne spielt. Oder die flotte Arie von Nisos „Occhi, col vostro pianto“. Auch hier geht es um Tränen, aber die Oboen kommentieren das fast scherzhaft.

Das und noch viel mehr wurde von dem neuen Kölner Alte Musik Ensemble Orchestra Kairos mit Spaß, Spielfreude und Stilgefühl dargeboten. Die Gesangssolisten kamen alle von der Kölner Musikhochschule und legten mit dieser Produktion zum Teil ihre Abschlussprüfungen ab. Sie sind durchweg firm im Barockgesang, haben schöne, ja edle Stimmen und gestalten ihre Partien mit allem, was dazu gehört: Koloraturen, Ausdrucksnuancen mit der Technik des messa di voce, also das kunstvolle Anschwellenlassen der Stimmen, und interessante, aber nie übertriebene Verzierungen im Dacapo.

Alles in allem war es ein Fest der Barockmusik mit einem reichhaltigen Sujet und einem Namen, den man sich merken kann: Jakob Greber.

Einzige Aufführung, coronabedingt als Rundfunkproduktion: 10.01.2021

In WDR 3 Oper am 07.02.2021 ab 20:04 Uhr

Besetzung:
Pales/Echo: Marija Grinevska (Sopran)
Aigle: Miriam Rippel (Sopran)
Corinna: Rahel Flassig (Sopran)
Orminos: Marta Ribeiro Martins (Sopran)
Nisos: Luca David Segger (Altus)
Aminta: Camilo Delgado Díaz (Tenor)
Nicandros: Soowon Han (Bariton)
Ergastos: Simon Noah Langenegger (Bariton)
Meris: Michael Krinner (Bass)

Orchestra Kairos
Musikalische Leitung Kai Wessel