Neuer Abschnitt
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70 Jahre und kein bisschen leise! Wir feiern den runden Geburtstag mit einem langen Abendprogramm in WDR 3 und vor Ort in Köln, mit Installationen und zwei Konzerten. Dabei beschränken wir uns nicht nur auf das WDR Funkhaus, die altehrwürdige Stätte, in der alles begann, sondern bespielen auch sechs sehr unterschiedliche Kölner Orte.
Festkonzert am 2. Oktober
Das Vorspiel bilden zwei Installationen im Funkhaus, dem Tat-Ort so vieler Events der Reihe "Musik der Zeit", bevor hier dann im Festkonzert mit zwei Werken von Xenakis und Boulez die Wucht der Vergangenheit auf die geballte Energie der Gegenwart trifft, die mit den Uraufführungen von Klaus Ospald und Justė Janulytė vertreten ist. Schon hier bekommt man einen Eindruck der enormen Bandbreite, die die Musik der Gegenwart seit den Gründungsjahren der Republik bis heute überspannt.
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Enno Poppe
Prickelnde Berührungspunkte gibt es, wenn mit Enno Poppe auch bei der Jubiläumsfeier ein Komponist und zugleich Dirigent am Pult von WDR Rundfunkchor und WDR Sinfonieorchester steht - wie beim Eröffnungskonzert im Oktober 1951, zu dem Igor Strawinsky den Taktstock hob.
Musikalischer Parcours durch Köln
Nach dem "Festkonzert" ist ein Parcours mit allerlei Überraschungen geplant. Ein Rundlauf, der durch die Kölner Innenstadt an sechs sehr unterschiedliche Orte führt, wo Kurzprogramme von 10 bis 15 Minuten nacheinander besucht werden können.
Die Nachtmusik in der Kölner Philharmonie beschließt die Feier zum 70. Geburtstag der Reihe "Musik der Zeit". Und da darf die Musik aus der Steckdose natürlich nicht fehlen. Zwei Klassiker des legendären Studios für Elektronische Musik des WDR bilden den Rahmen. György Ligeti erfindet in "Artikulation" eine künstliche Sprache, voller Humor und Affekte. Das kurze Stück erklingt als Remix. Dabei kommen ganz neue Vokaltechniken zum Einsatz. Dariya Maminova geht ebenfalls von der Sprache aus, sie verbindet Lied und Instrumentalstück, Synthesizer und elektrische Orgel, Russisch und Englisch. Schlusspunkt bildet Karlheinz Stockhausens "Mikrophonie II", eines der ersten Live-Elektronik-Werke überhaupt, bei dem der Chor während der Aufführung elektronisch transformiert wird.

70 Jahre Musik der Zeit - Gerätekaskade im Studio für Elektronische Musik
Lange Radionacht am 3. Oktober

70 Jahre Musik der Zeit: Komponist György Ligeti
Am 3. Oktober lassen wir in einer langen Radionacht von Mitternacht bis 6 Uhr früh die Höhepunkte aus sieben Jahrzehnten "Musik der Zeit" Revue passieren. Hier begegnen uns Altmeister wie Stockhausen, Zimmermann, Boulez, Nono, Xenakis oder Cage, die im Funkhaus ebenso debütiert haben wie Vertreter:innen jüngerer Generationen. Ihre Werke wurden bejubelt, manchmal höchst kontrovers diskutiert, und einige von ihnen schrieben Geschichte. Der Komponist György Ligeti, der 1956 nach dem Ungarnaufstand nach Köln kam, erinnert sich: "Nach dem Krieg, nach Ende der dunklen Nazizeit waren alle Leute so hungrig, das Neue in sich aufzunehmen." In dieser Atmosphäre haben sich junge und radikale Komponist:innen, beauftragt durch den WDR, dazu motivieren lassen, für die Klangkörper des WDR zu schreiben. Wir werfen einen Blick auf legendäre Uraufführungen, Meilensteine der Moderne oder zu Unrecht vergessene Werke.
1951 - Wie alles begann

Der Komponist Igor Strawinsky bei einer Probe mit dem WDR Sinfonieorchester 1951
Die "Musik der Zeit" begann 1951. Köln bot noch das Bild einer Stadt in Trümmern, deren Hohenzollernbrücke zerstört im Rhein lag. Doch das Musikleben sollte sich in der Rheinmetropole völlig neu entfalten, denn zum Verständnis von Demokratie gehörte bei der Gründung des Nordwestdeutschen Rundfunks, aus dem 1956 der WDR hervor ging, die Förderung von Experimenten und Nischenkultur. In diesem Rahmen war die Musik der Gegenwart Teil eines kulturellen Neuanfangs.
Im Oktober 1951 kam Igor Strawinsky nach Köln, um das erste Konzert der Reihe "Musik der Zeit" zu dirigieren. Strawinsky selbst machte den Vorschlag, das Konzert ausschließlich mit Werken aus den 20er Jahren zu gestalten und so gab es am Abend des 8. Oktobers die "Symphonies d'instuments à vent", das Operoratrium "Oedipus Rex" und eine gekürzte Fassung seines Balletts "Apollon Musagète" für Streichorchester. Das Interesse an Eintrittskarten war riesig und sprengte das Kontingent. Am Ende des Konzerts war das Auditorium geradezu entflammt: "Zehn Minuten lang hielt der Beifall des begeisterten Publikums an, das an einem der größten Ereignisse des deutschen Musiklebens seit Jahrzehnten teilnehmen durfte", meldete die Zeitung "Der Mittag", und der Musikkritiker Hans Heinz Stuckenschmied schrieb: "Mit diesem Konzert hat der NWDR die geplante Konzertreihe Neue Musik glanzvoll eröffnet." Das war der Auftakt zu einer langjährigen und beispiellosen Reihe von Werken der Moderne.
Die Konzertreihe "Musik der Zeit" - Zeitreise in Bildern
Von Harry Vogt
Bewegende Momente aus sieben Jahrzehnten der legendären WDR-Konzertreihe "Musik der Zeit": Unsere Fotostrecke zeigt Meilensteine der Neuen Musik, angefangen mit Karlheinz Stockhausens Kult-Konzert von 1956, als er erstmals Musik ohne Musiker mit rein synthetischen Klängen aufführte.