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Glotz und Gloria - Der COSMO Serien-Podcast

"Unbelievable" und "Criminal": Wann glaube ich einer Aussage?

Stand: 20.09.2019, 00:00 Uhr

Jörn und Emily zeigen in der neuen Folge, dass das Genre Krimiserie immer noch neue Spielarten produzieren kann. Im auf wahren Ereignissen basierenden "Unbelievable" geht es um die Opfer eines Serienvergewaltigers, im europäischen Kammerspielexperiment "Criminal" sitzt in jeder Folge ein anderer Verdächtiger im Verhörraum.

Von Emily Thomey und Jörn Behr

"Unbelievable" und "Criminal": Wann glaube ich einer Aussage?

COSMO Glotz & Gloria 20.09.2019 53:01 Min. Verfügbar bis 20.09.2024 COSMO


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In der Tat "Unbelievable" ist die wahre Geschichte einer 18-Jährigen, der die Polizei erst glaubt, dass sie vergewaltigt wurde, als ähnliche Fälle ermittelt werden. Marie erträgt die Demütigung bei der Tat und im Verhör mit stiller, fast stoischer Verzweiflung und gerät in einen Abwärtsstrudel, den sie fast alleine bewältigen muss. Jahre später tun sich zwei Ermittlerinnen aus verschiedenen Bezirken zusammen, weil sie überzeugt sind, dass ein Serienvergewaltiger umgeht - und erst dann gelingt Marie ein Schritt zurück ins Leben. Alle Opfer tun mir wahnsinnig leid, die Ungerechtigkeit gegenüber Marie ist auch dank der tollen Darstellung von Jungschauspielerin Kaitlyn Dever aber zusätzlich kaum zu ertragen.

Die Serie erzählt die teils stundenlang andauernde Tat zum Glück aus der Sicht der Opfer, denen währenddessen die Augen verbunden werden, sodass ihre Aussagen mit entsprechenden Rückblenden auch bildlich nicht voyeuristisch ausgeschlachtet werden. Gut gefällt mir, wie menschlich die Polizei dargestellt wird, seien es die beiden unterschiedlichen Ermittlerinnen - Merritt Wever ("Nurse Jackie", "Godless") als gläubige Grüblerin und Toni Collette ("Taras Welten", "Little Miss Sunshine") als nüchterne Unkonventionelle - oder auch die sich falsch verhaltenden Polizisten, die nicht per se als unsensible Trottel charakterisiert werden. Der Täter hingegen bleibt im Hintergrund. Auch das macht "Unbelievable" zu einer spannenden, besonderen, wichtigen Serie.

Etwas weniger im Gedächtnis dürfte vermutlich "Criminal" bleiben, auch wenn die Fälle zum Beispiel um Flüchtlinge in LKW, eine ertrunkenen Autistin oder ein Mord an einem jungen Mädchen nicht weniger grauenvoll sind. Filmteams aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Spanien steuern je drei in sich abgeschlossene Fälle bei. In jedem gibt es einen Menschen, der in einem stylischen Verhörraum vor Polizisten eine Aussage macht, während im technisch hochwertig ausgestatteten Nebenraum der Rest des Ermittlerteams durch eine einseitig verspiegelte Scheibe zuguckt und -hört. Diese kammerspielartige Atmosphäre macht die Serie zu einem Schauspielerlebnis mit bekannten Namen wie Nina Hoss, Sylvester Groth, Florence Kasumba, David Tennant, Haley Atwell oder Natalie Bayé und gleichzeitig neugierig auf vielversprechende, uns bisher fremde Gesichter im Ensemble.

Viele Fälle überraschen, kein einziger ist langweilig. Allerdings erzählen nur zwei der zwölf Folgen länderspezifische Themen, da hätte ich mir mehr gewünscht. Denn so frage ich mich, worin genau der Reiz besteht, vier Länder beisteuern zu lassen, wenn sie nicht auch ein eigenes Set bauen, sondern die Räume immer gleich aussehen. Sonst geht das formelhafte Konzept für mich voll auf. Durch die Begrenzung der Räumlichkeiten und die Dominanz an Dialogen werden wir dazu gezwungen, Milieus, Biografien, Taten und Dramen in unserem Kopf selbst entstehen zu lassen.

Wo:
Beide Serien laufen bei Netflix.

Kontakt zu Emily und Jörn:
Facebook.com/cosmo_ard
E-Mail: glotzundgloria@wdr.de
Whatsapp: 0172 5678 566