Die singende Spaziergängerin von Lissabon

MirAnda: "Uma Mulher Na Cidade/A Lisbon Woman"

Stand: 27.09.2023, 09:00 Uhr

Mit ihrem lebensfrohen, globalen Folk-Pop hat die portugiesische Band Oquestrada ab 2010 ganz Europa erobert. Dann legten sie – müde vom Unterwegssein - eine kreative Pause ein, die nun schon etwas länger andauert. Sängerin und Bandgründerin MirAnda hat in der Zwischenzeit ihr erstes Soloalbum gemacht. Sie zeigt, dass Fado besser klingt, wenn er die Grenzen der Tradition hinter sich lässt.  

Von Anna-Bianca Krause

Vorher - nachher

Oquestrada waren, als sie vor fast 15 Jahren auftauchten, eine der musikalischen Überraschungen aus Portugal. Sie bewiesen, dass es in ihrer Heimat nicht nur Fado gibt, diese zwar schöne, aber immer auch melancholische Musik in Moll, in der vergangenen Zeiten und verlorenen Lieben hinterher getrauert wird. Mit einer wilden Mischung aus Ska, Walzer, Chanson, Balkanmusik, Hip Hop, kapverdischer, portugiesischer und angolanischer Musik tourten sie durch die Clubs und Festivals in Europa und performten als erste portugiesische Band 2012 bei der Friedensnobelpreisverleihung in Oslo. Als ihnen das dauernde Touren im Ausland zu viel wurde, legten sie eine kreative Pause ein.

MirAnda, die das emotionale, vokale und energetische Zentrum von Oquestrada gewesen ist, genoss es, endlich wieder die meiste Zeit in der eigenen Stadt zu verbringen. Daraus ist ihr erstes Soloalbum entstanden. „Uma mulher na cidade/A Lisbon Woman“ entstanden: „Eine Frau in Lissabon“.

In den Strassen von Lissabon

MirAnda ist eine exzessive Spaziergängerin. Ihre Melancholie treibt sie aus dem Haus, bringt sie dazu, durch die Straßen zu laufen. Dort trifft sie Menschen, hört Gespräche und Musik. Ausnahmsweise hat die Sängerin und Texterin diesmal die Songs nicht selbst geschrieben, sondern sie auf ihren Spaziergängen durch Lissabon im Lauf der letzten Jahre gesammelt. Die Melodien, Musikerinnen und Musiker, die sie dabei zufällig getroffen hat, sind aus Brasilien, Portugal, Argentinien, Frankreich, von den Kapverden, aus der Ukraine, Italien, Guinea-Bisau und Gambia. Zu hören sind deshalb neben den beiden instrumentalen Hauptdarstellern Fado-Gitarre und E-Gitarre: u.a. Balafon, Geige, Keyboards, Piano, Trompete, Ukulele, Synthesizer und Kora.

Alle diese Sounds und Artists hat sie in Lissabon gefunden. Aber auch in Almada, auf der anderen Seite des Flusses Tejo, wo sie seit langem lebt. Dahin, wo man über eine Brücke oder mit einer Fähre gelangt. Cacilheiro heißen diese Fähren. MirAnda, die fast täglich damit das breite Wasser überwindet, besingt sie im Duett mit einem Theremin. Da wo sich der große Fluss mit dem Atlantik kreuzt. Für MirAnda ist es das Tor, durch das die vielfältige afrikanische Musik nach Portugal kommt, die auch ein neues Lissabon definiert.

Die Nächte Lissabons

Ihre ersten Erfahrungen als Sängerin hat MirAnda in den Bars der kapverdischen Community gemacht. Sie liebt Live-Musik-Cafés. Hat deshalb, als sie eine kreative Pause benötigte, eine Zeitlang auch eines in Lissabon betrieben; das Tasca Beat do Rosario. Artists aus aller Welt hat sie da kennen gelernt, spielen gehört und manchen Song entdeckt. Der Verspielteste auf dem Album ist „Conto contigo“ von der portugiesischen Songwriterin Joana d’Agua, die damals eine Zeitlang in ihrem Café gearbeitet hat. Wenn die beiden abends den Laden zugemacht haben, sangen sie sich beim Putzen gegenseitig Lieder vor. Danach zogen sie durch das Nachtleben von Alfama, der Altstadt von Lissabon. Fast jeder der gesammelten Songs hat eine eigene Geschichte und hängt mit Begegnungen zusammen.

Fado or not Fado

MirAnda sagt mit Überzeugung von sich: „Ich bin keine Fadista“! Dass sie aber dieses typische Fado-Gefühl der Saudade sehr gut verstehe, den Fado jedoch auf ihre Weise interpretiere. Sie hat sich beispielsweise den italienischen Musiker Simone Carugati ins Boot geholt, seine E-Gitarre ist überraschenderweise Seite an Seite mit der Fado-Gitarre von Luis Guimarães zu hören.

Sie singt auf Portugiesisch, Kreolisch, Französisch und Spanisch und zeigt, dass sie mit ihrer Stimme und ihren Interpretationen eigene Wege, abseits aller Fado-Gesangsklischees, geht. Unterstützt vom brasilianischen Produzenten Alé Siqueira, der mit vielen Weltstars wie Omara Portuondo, Caetano Veloso oder Bebel Gilberto schon im Studio stand, hat sie ein Album gemacht, dass gleichermaßen portugiesisch und weltgewandt ist.