Beirut sind bekannt dafür, sich klanglich auf jedem Album in eine neue Himmelsrichtung zu wenden. Diesmal ging es zurück zu den Anfängen, zum Sound der ersten drei Alben aus den Nullerjahren. Hinter dem Bandnamen verbirgt sich vor allem Gründer und Leader Zach Condon. Der ist als 17-Jähriger durch Osteuropa und danach durch Frankreich gereist und hat bei der Rückkehr in seine Heimat New Mexico, USA diese Eindrücke mit US-amerikanischem Indie kombiniert. Vor allem für den osteuropäischen Balkan-Sound ist er mit Beirut berühmt geworden. Den lässt er jetzt auf "A Study of Losses" wiederauferstehen.
Zirkusmusik und Mondmeere
"A Study of Losses" war eine Auftragsarbeit vom schwedischen Zirkus Kompani Giraff. Beirut sollten den Soundtrack liefern für die Musik ihrer gleichnamigen Bühnenshow. Mit einem klassischen Zirkus hat diese aber relativ wenig zu tun, sie ist eher ein modernes Tanztheater. Die sehr melancholische und repetitive Musik von Beirut untermalt die ästhetischen Bewegungen und die artistische Akrobatik – funktioniert aber auch ohne die Aufführung.
Das wurde schon in den Vorab-Singles offensichtlich: "Tuanaki Atoll" ist ein Walzer für die Südsee, "Caspian Tiger" ein kontemplatives Akkordeon-Stück und "Guericke's Unicorn" erinnert mit seiner dominanten Drum Machine an den Beirut-Hit "Santa Fe". Sieben der 18 Stücke sind instrumental und benannt nach Mondmeeren – was dem Album einen außerweltlichen Touch gibt. Wegen der traditionellen Musik denkt man an die frühe Science Fiction von Jules Verne oder den auf einem Roman von ihm basierenden Film "Die Reise zum Mond" aus dem Jahr 1902.
Ironie des Schicksals
Für Zach Condon war es nach eigener Aussage Ironie des Schicksals, dass er nun mit einem Zirkus zusammengearbeitet hat, weil er anfangs immer als "skurriles Zirkuskind", als "Vagabund" dargestellt wurde – obwohl er einfach nur die Musik aus diesem Bereich mochte und sich von ihr inspirieren ließ für seine ersten beiden Alben "Gulag Orkestar" und "The Flying Club Cup". Genau wegen der Musik auf diesen Alben hat ihn Kompani Giraff engagiert.
Kirchenorgel und Vergänglichkeit
Zwei andere große Einflüsse sind auf dem Album allgegenwärtig. Zum einen hatte Zach Condon das vorherige Beirut-Album teilweise in einer Kirche in Norwegen eingespielt – dorthin ist er nun wieder zurückgekehrt. Das Sakrale hört man dem neuen Album auch an. Auf den schönen Album-Highlights "Garbo's Face", "Forest Encyclopedia" und "Mani's 7 Books" spielt sich die Kirchenorgel in den Vordergrund, respektive begleitet sanft im Hintergrund.
Zum anderen war die literarische Vorlage ein großer Einfluss auf die Stimmung des Albums: "A Study of Losses" basiert auf dem Buch "Verzeichnis einiger Verluste". Die deutsche Autorin Judith Schalansky erzählt darin die Geschichte eines Mannes, der davon besessen ist, alle verlorenen Gedanken und Schöpfungen der Menschheit zu archivieren. Dementsprechend schreibt auch Zach Condon über den verzweifelten Versuch, alles Vergängliche zu bewahren – und wie es dann doch verschwindet: ausgestorbene Tierarten, verlorene architektonische und literarische Schätze, den Prozess des Alterns und andere abstrakte Konzepte. Das passt auch gut zu der Idee, dass Zach Condon, heute 39, musikalisch zurückgeschaut hat auf seine Anfangstage als Musiker in seinen Teenagerjahren. Und dabei zu entdecken, dass nichts wieder so wird wie es mal war