Das Gesicht einer Frau, das von einer künstlichen Intelligenz ausgelesen wird.

Global Pop News 07.06.2023

Deezer will gefakte KI-Songs löschen

Stand: 07.06.2023, 11:22 Uhr

Deezer will gefakte KI-Songs mit spezieller Software löschen | Fabric-Festival Exodus abgesagt | King Krule´s mit neuer Sigle "Flimsier" | Booba-Konzert in Casablanca wegen "sexistischen Texten" abgesagt | Unsere News aus der Welt des Global Pop

Von Lukasz Tomaszewski

Deezer will gefakte KI-Songs mit spezieller Software löschen

Künstliche Intelligenz in der Musik: Sie kann Songs schreiben und auch Stimmen bekannter Artists imitieren. So geschehen beim Song "Heart on my sleeve", der im April millionenfach abgerufen wurde. Angeblich eine neue Collabo zwischen den beiden kanadischen Superstars Drake und The Weeknd. Alles Fake, wie sich schnell herausstellte. Jetzt hat der französische Streamingdienst Deezer angekündigt: Wir können uns wehren und haben dafür ein spezielles Tool.

Deezer hat nach eigenen Angaben jetzt eine Technologie entwickelt, um von KI geklonte Stimmen bekannter Artists zu erkennen und potenziell auch zu löschen. Mit dieser speziellen Software will das Unternehmen gegen illegale und betrügerische Inhalte vorgehen. In letzter Zeit sind häufiger Songs aufgetaucht, die mit KI die Stimmen von Stars nachgeahmt haben. Das geht zum Beispiel mit der App "Uberduck AI". Deezer-Chef Jeronimo Folgueira sagte der BBC, das Unternehmen will jetzt "Haltung bekennen".

Bisher kaum Möglichkeiten gegen Fakes vorzugehen

Im Fall Heart On My Sleeve hatte das Musiklabel Universal Music juristisch erstritten, dass Streaming-Dienste das Lied löschen. Ein Verstoß gegen das Urheberrecht, hieß es. Aber: Der Song sorgte tagelang für Irritationen. Die Zuständigkeiten schienen nicht geklärt. Und nicht alle Artists haben ein Label im Rücken, das so schnell und entschlossen handelt. Solange das so bleibt, ist es natürlich gut, wenn schon die Streaming-Plattform selbst die gefakten Songs erkennt und sie erst gar nicht hochlädt oder löscht.

KI in Musik umstritten

In der Musikszene ist die Verwendung von KI aber umstritten und rechtlich eine Grauzone. Sängerin Grimes zum Beispiel stellt ihre Stimme sogar extra für KI zur Verfügung. Viele scheinen sich damit abgefunden zu haben: Laut einer Umfrage unter Musikproduzenten sind 73 Prozent der Meinung, dass KI-basierte Programme ihre Arbeit ersetzen könnten. 35 Prozent sehen KI sogar als nützliches Instrument an.

Fabric-Festival Exodus abgesagt

Berlin hat Berghain, London die Fabric: Ein legendärer Musikclub für anspruchsvolle elektronische Musik. Jetzt musste die Fabric sein Festival "Exodus" canceln. Die Nachfrage sei zu gering, die Festivalgänger haben scheinbar nicht genügend Geld.

 Das Exodus-Festival ist seit Jahren der Außenposten fürs Fabric-Publikum: Zwei Tage Raven auf einem herrschaftlichen Landsitz in Essex, knapp 50 Kilometer von London entfernt. Auch dieses Jahr waren wieder große Namen der Szene auf dem Lineup Anfang Juli geplant: Ricardo Villalobos, Fatima Yamaha oder anz. Einen Monat vor dem Startschuss ziehen die Veranstalter jetzt die Notbremse: Man könne dem eigenen Qualitätsanspruch nicht gerecht werden. Die hohen Kosten können nicht durch die kalkulierten Ticketeinnahmen gedeckt werden. Das gibt die Fabric auf Instagram bekannt. Das Festival ist abgesagt. Die bereits verkauften Ticketspreise erstattet der Veranstalter. Außerdem gibt es für die Gäste am Wochenende freien Eintritt in der Fabric.

Harte Zeiten in England

Das Land ist von der Inflation und der Teuerungsrate noch stärker betroffen als die meisten EU-Länder. Die Lebensmittelpreise stiegen zuletzt so sehr wie in den letzten 45 Jahren nicht mehr. Außerdem leidet die junge urbane Zielgruppe unter einer Krise auf dem Wohnungsmarkt. Die Mietpreise explodieren in den Großstädten. Zusammen bedeutet das einen Reallohnverlust in England als "cost of living crisis" bekannt. Am Ende des Monats bleibt zu wenig Geld übrig für Kulturveranstaltungen.

Festival-Absagen auch in Deutschland

Auch in Deutschland sind die Vorverkaufszahlen zurückgegangen. Für Ende Juni war am Hockenheimring der deutsche Ableger des Download Festivals geplant, musste aber wegen "produktionstechnischer Probleme" abgesagt werden. Denn auch hier sind die Kosten für Transport etc. gestiegen. Und auch das Leipziger THINK-Festival hat für dieses Jahr abgesagt. Sachsens größtes elektronisches Musikfestival kann die gestiegenen Kosten nicht mit den Ticketpreisen kompensieren.

King Krule´s mit neuer Sigle "Flimsier"

Der britische Indie-Sänger hat gerade seine Single "Flimsier" rausgebracht. Der neue Song lebt von seiner rauen, kratzigen Stimme, die immer wieder ins zerbrechliche Falsetto wechselt. Einer verstimmt jaulenden E-Gitarre und einem ganz dezenten leisen, aber akzentuierten Drumset. Ein wabernder Synthesizer entführt uns in surreale Sphären von King Krules melancholischer Traumwelt. Ein Love-Song, ein Break-Up-Song.

  "Space Heavy"

Zu dieser Stimmung passt auch der Albumtitel Space Heavy, welches schon am Freitag erscheint. Es wird zu Postrock gehen, manche hören den frühen Sound von Radiohead raus. Zehn Jahre ist King Krule jetzt schon im Geschäft und auf "Space Heavy" hinterfragt der gefeierte Musiker aus London seine Ängste und dunklen Gedanken. Musik, die der Soundtrack zu einem David Lynch-Film sein könnte. Songs, die eine traumhafte Atmosphäre kreieren. Er scheint darauf die Tiefen des Unbewussten zu erkunden, die Geheimnisse einer gequälten Seele. Das kommt vor allem bei seinen britischen Fans gerade total gut an. Er hat jetzt eine Reihe von Konzerten gegeben auf der Insel.  Nicht nur, dass die Hallen ausverkauft waren. Die Tickets waren meistens schon nach wenigen Minuten vergriffen.

 Sound der Stunde

Der Musiker konnte schon immer gut zwischen Stilen und Gefühlswelten vermitteln. Blues- und Black-Music-Ideen mit Indie-Pop, Hip-Hop und experimenteller Musik vereinen. Und seine Songs erzählen Geschichten von Niederlagen und Herzschmerz, aber eben auch von Illusionen. Und die flüssigen, weiträumigen Sounds unterstreichen das. Was seine Fans begeistert ist, dass -so wie im neuen Song Flimsier- sich irgendwann das Gewitter verzieht und Sonnenstrahlen durch den wolkenverhangenen Himmel brechen. King Krule spendet irgendwie Hoffnungen; und ja, damit spricht er natürlich auch die Gen Z an. Die gerade in einer Welt multipler Krisen erwachsen wird: Post-Corona-Blues, Klimakrise, die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und Krieg in Europa. Irgendwie wiegt das alles ziemlich schwer- aber es kann auch nur noch besser werden.

Booba-Konzert in Casablanca wegen "sexistischen Texten" abgesagt

Booba ist einer der erfolgreichsten Rapper in Frankreich. Aufgewachsen in einem Vorort von Paris, lebt er seit einigen Jahren in Miami. Er hat Roots im Senegal und bezieht sich auch viel auf Afrika in seiner Musik. Besonders bekannt ist Booba in Marokko. Dort wurde sein Konzert jetzt wegen "sexistischen Songtexten" abgesagt. Das Konzert sollte in zwei Wochen in einer Sporthalle in Casablanca vor 12.000 Menschen stattfinden. Die Absage ist eine Reaktion auf eine Boykott-Kampagne auf den Sozialen Netzwerken in Marokko. Dort ist in den letzten Wochen immer mehr Kritik an Boobas Songtexten aufgekommen.

Grund für die offizielle Absage der Behörden sind "erniedrigende Äußerungen gegenüber marokkanischen und Nordafrikanischen Frauen". Einer der Titel, um den es bei den Vorwürfen geht, ist schon sechs Jahre alt. Im Song "É.L.É.P.H.A.N.T" rappt Booba über ein "kleines marokkanisches Mädchen", das Sex mit Berlusconi hat. Booba spielt damit auf die Ruby-Affäre an, bei welcher der ehemalige Premierminister von Italien, Silvio Berlusconi, die minderjährige Karima el-Mahroug, wie die Marokkanerin eigentlich heißt, für Sex und andere Dienstleistungen bezahlt haben soll.

Im Song "Génération Assassin" von 2015 rappt Booba darüber, dass er nur in Shisha-Bars geht, um dort nordafrikanische Frauen kennenzulernen. In den sozialen Netzwerken werden die Songzeilen jetzt wieder heftig kritisiert. Viele Menschen haben die Entscheidung, das Konzert abzusagen, begrüßt, und diese und andere Textzeilen angeprangert. Es wurde aber auch angemerkt, dass diese Konsequenz ziemlich spät kommt - die Textzeilen sind teilweise fast zehn Jahre alt. Einige Booba-Fans hingegen schreiben, dass sie hoffen, "dass dieselben Leute, die Booba verbieten, auch alle anderen Rapper verbieten werden (…), die Sex und Drogen fördern - nur um sicherzugehen, dass die Behörden keine Heuchler sind". Bei marokkanischen Rappern sei man da bei vielen Themen wie Sexismus und Drogen nicht so konsequent, so der Vorwurf.

Es wurden auch von einigen Fans Theorien in den Raum gestellt, dass nicht der Sexismus, sondern eher blasphemische Passagen von Booba der eigentliche Grund für die Absage waren. In seinem Song "Gangster" von 2011 rappt Booba zum Beispiel: "Es gibt keinen besseren Ort, um dich sodomisieren zu lassen, als die Kirche". In einem anderen Song rappt er: "Mein Rap wurde gekreuzigt, um Christus zu werden". Diese und andere Aussagen aus älteren Booba-Songs gehen jetzt auch in den sozialen Medien rum. Booba selbst hat sich zu der Absage seines Konzerts in Casablanca noch nicht geäußert.