
Global Pop News 13.03.2023
"Calm Down" - Afrobeats im Kampf gegen das Regime im Iran
Stand: 13.03.2023, 12:45 Uhr
Tanzvideo junger Iranerinnen sorgt für Aufsehen | Die Oscars aus musikalischer Sicht | Winky D-Konzert abgebrochen | Studie zu sexuellen Übergriffen in Electro-Szene | Unsere News aus der Welt des Global Pop
Von Bamdad Esmaili & Anna Kravcikova
Afrobeats im Kampf gegen das Regime im Iran
"Calm Down", ein großartiger Afrobeats Song, von Rema aus Nigeria spielt aktuell eine wichtige Rolle im Iran. Vergangene Woche hat ein Tanzvideo von jungen Frauen zum Weltfrauentag in Teheran in sozialen Medien für Aufsehen gesorgt. Genau zum Song "Calm Down", eine Idee, die eigentlich der TikToker und Influencer NoelgoesCrazy im Netz verbreitet. Das Video wurde in dem Viertel Ekbatan im Westen der iranischen Hauptstadt aufgenommen. Fünf Frauen tragen ihre Haare offen und tanzen in legerer Kleidung zu dem Song. Im Rest der Welt wäre es nur ein normales TikTok-Tanzvideo, im Iran ist es eine Form von zivilem Ungehorsam. Tanzen ist strafbar, für Frauen sowieso. Verstöße gegen die Kopftuchpflicht ebenso. Im Hintergrund sind die Hochhäuser ihres Viertels zu sehen; einem der Hauptorte der jüngsten Proteste im Iran.
Die Tanztrainerin aus dem Video wurde kurzzeitig verhaftet. Das ganze Land bekundet ihr Solidarität. Viele Iraner:innen tanzen ebenfalls zu Remas Song und laden ihre Videos in die Sozialen Netzwerke hoch. Es gibt sogar ein Video, wo jemand vor dem berüchtigten Evin Gefägnis in Teheran tanzt. Auf der Twitterseite des Ekbatan Viertels heißt es: Die Tanzlehrerin wurde verhört und man sagte ihr, dass sie das Video löschen soll. Das geschah nicht. Stattdessen wurde es über 50.000 Mal geteilt und hat mehr als 30.000 Likes. Auch im Westen gibt es Solidaritätsvideos mit dem Song "Calm Down". Zum Beispiel aus Deutschland. Hier hat jemand einen Tanzclip in einer Fußgängerzone gedreht.
Die Oscars aus musikalischer Sicht
Zum 95. Mal wurden in Los Angeles die Oscars - die wichtigsten Preise in der Filmbranche - verliehen. Aus musikalischer Sicht gibt es auch Interessantes zu berichten. Für eine Sensation sorgte der Song "Naatu Naatu". Das Tanzlied ging in Indien viral. Jetzt schreibt es Oscar-Geschichte. Als erstes Lied aus einem indischen Film gewann der Track den Oscar für den besten Originalsong. Das Besondere daran: Der Track setzte sich gegen "Schwergewichte" wie Lady Gaga und Rihanna durch; die beiden durften jedoch auftreten.
Lady Gaga lieferte eine überraschende Darbietung ihres nominierten Songs "Hold My Hand", den sie für die Tom-Cruise-Blockbuster-Fortsetzung "Top Gun: Maverick" geschrieben hat. Zur Verleihung erschien sie auf dem roten Teppich im glamourösem Versace-Outfit und schwerem Make-up. Zu ihrem Auftritt erschien sie überraschend ohne Make-Up. Lady Gaga ganz schlicht in einem schwarzen T-Shirt, zerrissenen Jeans und Sneakern. Glamouröser war der Auftritt von Rihanna. Sie sang den Song "Lift Me Up" aus der Fortsetzung "Black Panther: Wakanda Forever". Rihanna trug eine schwarz-silberne, perlenbesetzte Hose und ellenbogenlange schwarze Lederhandschuhe. Streifen aus transparentem Tüll, besetzt mit Straßsteinen, hingen über ihrem Babybauch. Sie erwartet ihr zweites Kind mit ihrem Partner A$AP Rocky. Der Rapper saß im Publikum und erhob sein Champagnerglas auf die Mutter seiner Kinder.
Der Titel beste Filmmusik ging an den deutschen Komponisten Volker Bertelmann alias Hauschka für den Anti-Kriegsfilm "Im Westen nichts Neues". Damit gewinnt der Düsseldorfer zum zweiten Mal einen Oscar. NRW Ministerpräsident Hendrik Wüst gratulierte bei Twitter: "Eine der begehrtesten Trophäen der Filmszene geht nach Nordrhein-Westfalen - herzlichen Glückwunsch, Volker Bertelmann alias Hauschka und dem ganzen Team!".
Winky D-Konzert abgebrochen
In Simbabwe stehen Wahlen an. Die Regierung geht offenbar gegen kritische Künstler vor. Zum Beispiel Winky D, ein populärer Dancehall-Star in Simbabwe. Nachdem seine Show auf der Bühne von der Polizei beendet wurde, hat nun die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch reagiert. Winky D. ist einer der populärsten Musiker Simbabwes. Vor zehn Tagen gab der Künstler ein Konzert in der Hauptstadt Harare. Plötzlich stürmten Polizisten die Bühne und beendeten die Show. Kürzlich hat er ein Album veröffentlicht, dessen Texte sich gegen soziale und politische Ungerechtigkeit, Korruption und den wirtschaftlichen Zusammenbruch in Simbabwe richten. Bald finden in dem afrikanischen Land Wahlen statt.

Human Rights Watch fordert die Gewährleistung von Meinungsfreiheit und friedlichen Versammlungen. Auf ihrer Website schreibt die Organisation: "Die Behörden Simbabwes sollten unverzüglich Ermittlungen einleiten und geeignete Maßnahmen gegen Beamte ergreifen, die für diese und andere Einschüchterungen, Belästigungen und Drohungen gegen Künstler, die friedlich ihre Meinung äußern, verantwortlich sind. Gerade weil dort im Juli oder spätestens im August Parlamentswahlen stattfinden. Und weiter: "Das Ende der Show von Winky D signalisiert, dass die Behörden Simbabwes bereit sind, selbst die populärsten Künstler für das, was sie sagen, zu schikanieren. Dass es so weit gekommen ist, hat vermutlich damit zu tun, dass eine regierungsnahe Lobbygruppe der Partei von Präsident Emmerson Mnangagwa die Ausladung von Künstlern wie Winky D gefordert hat. Die Lobbygruppe nennt sich "Economic Empowerment Group". In einer Pressekonferenz schlug sie vor, Winky D von Auftritten bei öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen. Außerdem fordert die Gruppe, dass alle lokalen Radiosender seine Musik nicht mehr spielen dürfen.
Die Gruppe beschuldigte den Musiker, im Rahmen einer "Regimewechsel-Agenda" Dissens unter der Jugend des Landes angestiftet zu haben. Mitglieder der Künstlergemeinschaft Simbabwes äußerten ihre Besorgnis darüber, dass die Maßnahmen der Regierung gegen Winky D Teil einer umfassenderen Bedrohung der Grundrechte und -freiheiten vor den Parlamentswahlen sind. Simbabwe ist ein Land, in dem es keine Pressefreiheit gibt. Menschenrechte werden nicht beachtet. Auch der Musiker Baba Harare schreibt übrigens bei Facebook, dass seine geplante Show abgesagt wurde. Die Polizei habe nicht die Erlaubnis erteilt aufzutreten, schreibt er.
Neue Studie zu sexuellen Übergriffen in Electro-Szene
Es gebe eine "allgegenwärtige Kultur" von Missbrauch und sexueller Belästigung, so lautet das Fazit der Studie. Gesammelt wurden die Daten im April 2021 durch eine App der "Electronic Music Inclusion Initiative". Das ist eine Initiative, die sich gegen Belästigung und Diskriminierung in der elektronischen Musikszene einsetzt. Die meisten Teilnehmer*innen der Studie waren Frauen zwischen 26 und 35 Jahren. Knapp die Hälfte waren selbst DJs oder Musiker:innen. Sie konnten in der App sämtliche Übergriffe im Rahmen der elektronischen Musikszene melden. Aus 28 Ländern wurden da Fälle von physischer Gewalt über Mobbing bis hin zu sexistischen und physischen Angriffen gemeldet. Über die Hälfte der gemeldeten Übergriffe sind beim Feiern passiert, während einer Clubnacht, bei einem Konzert oder Festival.
Sehr auffällig war auch: 40 Prozent der Opfer waren Schwarze Frauen und weibliche POC‘s. Damit waren sie fast die Hälfte aller Opfer, obwohl das Publikum größtenteils weiß war. Das bestätigt sich auch in anderen Studien, laut denen Schwarze Frauen unverhältnismäßig oft Opfer von sexualisierter Gewalt werden. Dabei geht es nicht nur um körperliche Misshandlungen, sondern auch um Mikroaggressionen, wie zum Beispiel anzügliche Kommentare, Kritik an der Kleidung von jemandem und das Hinterfragen von technischen Skills beim Auflegen. Eine weitere Auffälligkeit der Studie: 86 Prozent aller Befragten haben die Übergriffe gar nicht bei der Venue oder bei der Polizei gemeldet. Als Hauptgrund haben sie angegeben, dass sie Angst vor Rache und Vergeltung haben. An zweiter Stelle stand der Grund, dass ihr Vorgesetzter Teil des Übergriffs war, und sie deswegen Angst vor Konsequenzen haben. Das Ziel der Studie ist jetzt, durch die Ergebnisse und Daten ein einfaches Tool zu entwickeln, um solche Übergriffe zu melden. Und den Opfern auch schnell und unbürokratisch Hilfe zu ermöglichen. Die Möglichkeiten werden gerade zusammen mit verschiedenen Venues entwickelt. Das kostet natürlich Geld, und deswegen sucht das Unternehmen hinter der Studie jetzt auch nach Finanzierungsmöglichkeiten und Förderungen seitens der Regierung und Akteuren der Musikbranche.