Eindringliche Direktheit

Aloe Blacc

Stand: 18.08.2021, 11:25 Uhr

Aloe Blacc ist ein kalifornischer Sänger und Multiinstrumentalist. Obwohl er erst mit seinem Album Good Things als Soul-Sänger international von sich reden machte, umfasst sein musikalischer Horizont ebenfalls Latin, Dancehall und vor allem Hiphop.

Vom MC zur Soul-Ikone

Bereits als Teenager verliert Aloe Blacc Herz und Seele an die Musik. Auf der Highschool gründet er gemeinsam mit DJ Exile die Indie-Rapband Emanon und nimmt seine ersten Kassetten und 12-Inch-Vinyls auf. Doch neun lange Jahre vergehen bis zum 2004 erscheinenden Debut The Waiting Room. Parallel dazu ist er in den unterschiedlichsten Projekten umtriebig und lernt auf einer Europa-Tournee seines Duos Stowaway den US-Rapper Madlib kennen. Dieser Kontakt erweist sich als besonders fruchtbar, denn Madlib ist auf dem Hiphop-Label Stone Throw gesignt und macht Blacc mit Betreiber Peanut Butter Wolf bekannt. Der Labelchef ermutigt den jungen Rapper, sich aufs Singen zu konzentrieren und stellt ihm eine Albumproduktion in Aussicht. Nach zwei Jahren ist es dann auch so weit, als 2006 mit Shine Through sein Solo-Debut erscheint. Aloe Blacc mausert sich innerhalb von kürzester Zeit vom MC zum Soul-Sänger, Songwriter und Multiintrumentalisten. Bass, Percussions und Blasinstrumente werden allesamt in Eigenregie eingespielt. Und sein polyrhythmischer Stilmix aus folkigen Akustikgitarren, R&B und Rap sorgt nicht nur beim einflussreichen BBC-Radiomoderator Gilles Peterson für Begeisterung.

I need a Dollar

Von da an liest sich die Karriere des Sohnes panamaischer Emigranten wie ein dem Bilderbuch entsprungener American Dream. Absurderweise ist der Katalysator des folgenden Höhenflugs ein Song, der die Finanzkrise der USA thematisiert: I need a Dollar handelt von der Entlassung Blaccs, als dieser noch als Unternehmensberater arbeitete. In eindringlicher Direktheit singt Aloe Blacc vom freien Fall nach seinem Jobverlust und dem anschließend mühseligen Kampf um jeden einzelnen Dollar. Der Zufall will es, dass ein Bekannter seines Produzenten ein Titelstück für die neue Serie "How to make it in America" des US-Senders HBO braucht und sich spontan für die damals noch unveröffentlichte Nummer entscheidet. Die Serie kommt an, der Song wird zur vertonten Situation aller durch die Krise Gebeutelten und Aloe Blacc hat seinen ersten Hit. Die amerikanische Öffentlichkeit will mehr vom jungen Unbekannten mit der Empathie für den Sound der Stunde. Aloe Blacc und seine Produzenten liefern. Innerhalb von wenigen Monaten entsteht ein ganzes Album: Good Things.

Inner City Blues

Das Album ist lupenreiner Soul mit funky Wah-Wah-Gitarren, schneidenden Bläsern und perlenden Orgeln. Inspiriert von der Originalität des Motown-Sounds sind Bass und Schlagzeug auf Zwei-Zoll-Band aufgenommen. So lassen sich die tiefen Frequenzen am besten einfangen. Die schlanken Produktionen bieten Blacc reichlich Platz für die facettenreiche Message seiner Songs. Diese reicht von der niemals wirklich einfachen Beziehung zwischen den Geschlechtern bis zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen wie Arbeitslosigkeit oder schlechter Gesundheitsversorgung. Es ist eine zeitgemäße Version des "Inner City Blues" wie ihn einst Marvin Gaye bekannt machte. Doch bei Vergleichen in der Musikgeschichte muss man bei diesem jungen Ausnahmetalent vorsichtig sein. Denn Aloe Blacc ist ein höchst eigenständiger, versierter Sänger mit einem hohen Freiheitsgrad und unbändiger Experimentierlust, der vielleicht schon morgen seinen Soul auf den Kopf stellt und ihn mit Samba, Rock oder Hiphop verzwirbelt. Wer seine orchestrale Version von Michael Jacksons "Billie Jean" oder den in Kooperation mit Quantic und Lanu entstandenen Afrobeat "Mother Earth" hört, bekommt eine leise Idee davon. Und genau dieser Drang nach Freiheit, dieses konsequente Unterlaufen musikalischer Reinheitsgebote machen Aloe Blacc zu einem der interessantesten Künstler dieser Tage.

Diskografie
All Love Everything (BMG, 2020)
Lift Your Spirit (Interscope, 2013)
Good Things (Stones Throw, 2011)
Shine Through (Stones Throw, 2006)