
Protoje: "Third Time's The Charm"
Jamaikanischer Sound-Visionär
Stand: 18.09.2022, 00:00 Uhr
Protoje zählt zu den größten jamaikanischen Artists, er untermauert es nicht nur als Festival-Headliner, sondern auch mit dem mittlerweile sechsten Album, "Third Time's The Charm". Es ist das dritte seiner Zeit-Trilogie und zeigt ihn erneut als Bindeglied verschiedener Sound-Welten.
Von Ellen Köhlings & Pete Lilly
Protoje hat sukzessive die Grenzen von Reggae ausgelotet. Vor über zehn Jahren hat er mit Vertreter:innen des Reggae Revival wie Chronixx, Jah9 oder Jesse Royal angefangen, das Genre vom Klischee-Staub zu befreien. Während Protoje auf seinem Vorgänger "In Search Of Lost Time" Reggae nur noch durchschimmern lassen hat, nähert er sich auf "Third Time's The Charm" wieder mehr seinen Reggae-Wurzeln. Mit "Third Time's The Charm" – aller guten Dinge sind drei – schließt Protoje seine Zeit-Trilogie ab. Angefangen mit "A Matter Of Time" hat er sich auf die Suche nach einem neuen Sound begeben. Er hat sich von alten Formeln verabschiedet, hat typische Reggae-Zutaten gedroppt, um sie nun befreit von Ballast und Kischees wieder neu zusammenzufügen.
Die Vorgeschichte
"Third Time's The Charm" ist das zweite Album, das Protoje hoch über den Bergen rund um Kingston in seinem Studio The Habitat mit jungen, innovativen Beatschraubern geschaffen hat. Die Pandemie gewährte ihm die nötige Zeit, seinen Ideen freien Lauf zu lassen. So erschuf er mit dem Roots Reggae-Produzentenkollektiv Zion I Kings seinen letzten Longplayer, "In Search Of Lost Time". Das von Zion I Kings produzierte "Incient Stepping" vom neuen Album ist zum Beispiel eine erhabene, meditative und doch kickende Roots-Nummer über den Umgang der Menschen mit der Welt. Die Combination mit Labelkollegin Lila Iké, "Late At Night", strotzt vor schwerem Rub-A-Dub. "Dreamy Eyes" ist ein wunderschöner One Drop. Ein Album wie ein musikalisches Kaleidoskop der jamaikanischen Sounds.
Die Vorgehensweise
Protoje ist ein Kopfmensch. Er wusste bereits, wie sein drittes Album klingen soll, bevor er sein Debüt veröffentlicht hatte. Und er stellt Verknüpfungen her zwischen seinen Releases – nicht nur in Form der Titel. Im Eröffnungstrack "The Charm" packt er einen seiner frühen Deejay-Styles aus und verweist so auf seine Anfänge. Da "In Search Of Lost Time" mit dem traurigen Song "Strange Things Are Happening" endete, sollte der Nachfolger einen positiveren Ansatz verfolgen. Protoje geht es um ein bestimmtes Mindset. Er möchte daran erinnern, in schlechten Zeiten nicht aufzugeben, sondern wieder aufzusatteln und einen Neustart zu wagen. Diese Haltung bestimmt die Grundstimmung des Albums.
Die Verbindungen
Bei aller Reggae-Affinität wäre Protoje nicht Protoje, wenn er nicht auch seine HipHop-Seite ausspielen würde. Denn in seiner Brust schlagen zwei Herzen. Die verbindet er auf "Third Time's The Charm" so gekonnt wie nie. Unterstützung bekommt er unter anderem von dem jungen Producer Iotosh, der wie kein anderer dope HipHop-Drums mit fetten Reggae-Basslines vermählt. Schon die erste Single-Veröffentlichung "Hills", eine von Sirenen eingeläutete HipHop-Ode an den Rückzug in die Abgeschiedenheit, wird von harten Offbeat-Chops durchzogen. Oder das oben erwähnte "The Charm", ein HipHop-Track, der als Dub ausklingt. Oder die Bläser und Drumrolls in der Jesse-Royal-Combo "Family", die sich an HipHop-Beats schmiegen. All das klingt auf "Third Time’s The Charm" so, als seien die Genres eh immer schon eins gewesen.
Die Stimmungen
Jamaikanische Musik dreht sich seit jeher um Vibes, Vibrationen, Energie. Protoje geht es auf "Third Time's The Charm" vor allem um Feeling. Und das setzt er gekonnt in seinen Songs um. In "Hills" fängt er die atemberaubende Umgebung seines Studios als Rückzugsort ein. In dem ungewöhnlichen Love-Song "Ten Cane Row" mit der UK-Soul-Sängerin Jorja Smith preist er die verbindenden Aspekte einer Beziehung, wie sich zum Beispiel über Philosophie und Bücher auszutauschen. "Late At Night" mit Lila Iké transportiert die bedrückende Stimmung nachts in den Straßen Kingstons. Das mit den Worten seiner Tochter eingeleitete "Here Comes The Morning" – "Daddy, where does the sun come from?" – punktet mit viel Charme und verleiht neue Energie. Denn auf jede Nacht folgt ein neuer Morgen. So betrachtet Protoje das Leben.