Sehr buntes Cover des Albums "London Ko" von Fatoumata Diawara

Fatoumata Diawara: "London Ko"

Ein malischer Star auf einer Mission

Stand: 14.05.2023, 00:01 Uhr

Ende der 90er Jahre wurde Fatoumata Diawara in Frankreich und Mali als Schauspielerin berühmt. Heute ist sie die bekannteste Musikerin des westafrikanischen Landes. Jetzt ist ihr neues Album "London Ko" erschienen, eine Brücke zwischen London und Bamako.

Von Vincent Lindig

Fatoumata Diawara: "London Ko"

COSMO Album der Woche 15.05.2023 02:40 Min. Verfügbar bis 13.05.2024 COSMO


Die malische Sängerin Fatoumata Diawara ist endgültig zu einem Superstar des Global Pop geworden. Seit dem Release ihres Debütalbums in 2011 tourt sie scheinbar ununterbrochen auf der ganzen Welt, sammelt Musikpreise wie etwa den Victoires de la Musique und hat mit Größen wie Mulatu Astatke oder Herbie Hancock gearbeitet. Sie hat an musikalischen Projekten von den Red Hot Chili Peppers, Paul McCartney und von Legenden des Desert Blues wie Toumani Diabaté mitgewirkt. Eine Verbindung sticht trotz so viel Starpower heraus: Mit Gorillaz-Frontmann Damon Albarn verbindet sie inzwischen eine ganz besondere Freundschaft. "Die Verbindung zu Damon ist sehr tief", sagt Fatoumata. "Er liebt meine Energie und ich seine, denn er ist ein absoluter Musikmensch. Er ist so talentiert und er liebt Melodien. Und das tue ich auch! Für mich ist es das Wichtigste, Menschen durch meine Melodien zu heilen. Und Damon ist auf der gleichen Mission.". Kein Wunder also, dass Albarn als Produzent von sechs Songs auf "London Ko" eine zentrale Rolle spielt und der gemeinsame Song "Nsera", Bambara für "Ich bin zu Hause angekommen", das Album eröffnet.

Ein Leben voller Fallgruben

Fatoumata Diawara wurde 1982 als eines von 21 Kindern ihres Vaters in der Elfenbeinküste geboren. Ihre Eltern stammen aus dem benachbarten Mali, wohin Fatoumata in jungen Jahren übersiedelt. In ihrer Kindheit wird sie oft vernachlässigt, wächst getrennt von ihren Eltern in schwierigen Umständen auf. Wegen ihrer migrantischen Biografie wird sie von anderen drangsaliert und muss viel über sich ergehen lassen, wie sie in Interviews erzählt. Es ist ihre Leidenschaft zum Tanzen, die ihr schließlich einen Weg in die Welt des Films bahnt: 1999 gibt ihr der malische Regisseur und politische Aktivist Cheick Oumar Sissoko die Hauptrolle im Film "La Genèse", der im gleichen Jahr auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes ausgezeichnet wird. Es ist Fatoumatas Durchbruch, doch ihre persönliche Situation bleibt schwierig: Kurz nach der Veröffentlichung des Films muss sie aus Mali fliehen, um einer drohenden Zwangsheirat zu entfliehen. In Frankreich führt sie ihre Schauspielkarriere fort, steht jahrelang auf Theaterbühnen und reist mit der Straßentheatertruppe Royal de Luxe. Es folgen weitere Filme wie etwa "Timbuktu", der sieben César-Awards abräumt und bei den Academy Awards erwähnt wird. Und über die Filme kommt Fatoumata wieder zur Musik.

Vom Schauspiel zur Musik

Fatoumata wirkte neben ihrer Arbeit als Schauspielerin auch an Filmsoundtracks mit und knüpfte so wieder eine Verbindung zur reichen Musikkultur ihres Heimatlandes Mali. 2011 erschien ihr erstes Album "Fatou" auf dem einflussreichen Label World Circuit – eine Verbindung, der sie einen Song voller Dankbarkeit widmet. Das Debüt ist ein großer Erfolg. 2012 folgt eine Einladung auf die Africa-Express-Bühne in London von Damon Albarn und Paul McCartney. Fatoumata wird als neuer Star des Global Pop berühmt.

Markenzeichen: Magie

Ihre einzigartige Stimme, die klar und rau zugleich ist, und Hörende magisch in ihren Bann zieht, wird ihr Markenzeichen – neben ihrem versierten E-Gitarrenspiel, das traditionelle Melodien der Kora oder N'goni Westafrikas aufgreift und scheinbar mühelos ins Hier und Jetzt teleportiert. Fatoumata scheint ihre Formel gefunden zu haben und ab jetzt geht alles sehr schnell. Das Nachfolgeralbum von 2018, "Fenfo" übertrifft das Debüt und wird für einen Grammy nominiert, Fatoumata gewinnt den prestigeträchtigen Victoires de la Musique. 2021 singt sie zusammen mit Lauryn Hill den Song "Black Woman" für den Soundtrack des Western "The Harder They Fall", der das Genre revolutioniert und Schwarze Charaktere in dieser Welt etabliert.

Kämpferin mit langem Atem

Bei allem Erfolg und dem Prestige, das mit ihrer Karriere und den Preisen kommt, hat Fatoumata Diawara ihre große Mission hinter der Musik nie vergessen. Denn sie weiß, wovon sie spricht. In ihrer Muttersprache Bambara singt sie unermüdlich gegen häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung und Herabwürdigung, zum Beispiel auf dem Song "Massa Den" mit ihrem musikalischen Wegbegleiter -M-. Denn ihre eigenen Erlebnisse, die Flucht vor der Zwangsheirat, ihre Erlebnisse als Frau in Mali, haben sie zu einer Frau mit einer Mission gemacht.

Musik ist die Waffe

"Wenn ich nicht auf Tour bin, verbringe ich viel Zeit in Mali und sehe, dass noch so viel zu tun ist", erzählt sie. "Ich muss also weiter über diese Themen singen, denn Musik ist meine Waffe und ich glaube an sie. Ich ändere vielleicht meine Melodien, aber Themen wie weibliche Genitalverstümmlung oder die Stellung der Frauen in Afrika bleiben zentral, um zu zeigen: Ich gebe den Kampf nicht auf, bis sich etwas ändert. Ich sehe mich als eine Überlebende, die andere Mädchen retten muss". Zugleich ist sie eine zutiefst gezeichnete Frau, die nicht nur für andere kämpft – sondern auch für sich selbst. "Ohne die Musik könnte ich nicht leben", erzählt sie im Interview. "Selbst, wenn ich lächle und fröhlich aussehe: Ich bin als Person zutiefst betroffen, ich verbringe jeden Tag als eine Überlebende. Und das ist der Grund, warum ich andere retten will. Ich möchte verhindern, dass andere Kinder das erleben müssen, was ich durchgemacht habe. Sich selbst zu retten und dazu noch andere – das braucht unglaublich viel Energie". Und davon scheint sie noch genug zu haben: In den letzten zehn Jahren wirkte sie an einer Vielzahl von Projekten in Europa, den USA und – natürlich – in Afrika mit. Im Jahr 2013 brachte sie insgesamt etwa 40 Musiker*innen zusammen, darunter die größten Künstler*innen Malis wie Oumou Sangaré, Amadou&Mariam, Tiken Jah Fakoly, Toumani Diabaté, um einen Mali-Ko-Track zu produzieren ("La Paix", übersetzt "Frieden"), der auf die katastrophale Situation des Landes aufmerksam machen sollte.

Ein Star der malischen Musik öffnet seine Welt

"London Ko" ist das musikalisch vielseitigste Album von Fatoumata Diawara. Das erste Mal finden sich zahlreiche Feature-Gäste wie Soullegende Angie Stone und Afrobeats-Star Yemi Alade auf dem Album. Zusammen mit Roberto Fonseca von Buena Vista Social Club verbindet Fatoumata Diawara kubanische und malische Sounds, experimentiert auf "Dambe" mit Dub und inkludiert durch ein Feature mit dem ghanaischen Alt-Rapper M.anifest Rap in ihre Songs. Ihr musikalischer Wegbegleiter und Co-Produzent des Albums, der französische -M-, hält die vielseitige Vision zusammen und begleitet Fatoumatas Sound bei diesen Ausflügen in vollkommen neue musikalische Gefilde. Dadurch klingt "London Ko" so vielseitig wie tiefschichtig. Ein Star der malischen Musik öffnet seine Welt.