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Emma Jean Thackray: "Weirdo" - die Sängerin liegt nackt in einer rosa Badwanne.

Emma Jean Thackray: "Weirdo" - Club der Außenseiter

Stand: 28.04.2025, 00:01 Uhr

Emma-Jean Thackray ist eine der talentiertesten Künstlerinnen des Nu Jazz und ein absolutes Multitalent. Die britische Komponistin und Produzentin verarbeitet auf ihrem zweiten Album "Weirdo" Trauer und Einsamkeit durch Humor und mitreißende Sounds zwischen Jazz, Disco und Soul.

Von Maike de Buhr

Emma Jean Thackray: "Weirdo"

COSMO Album der Woche 28.04.2025 02:46 Min. Verfügbar bis 28.04.2026 COSMO


"Ich bin ein Weirdo!", sagt Emma-Jean Thackray über sich selbst. Ihr zweites Album ist ein Zeugnis ihrer Widerstandsfähigkeit. Ihre Befreiung und Rettung. "Als ich aufgewachsen bin, habe ich mich sehr einsam und komisch gefühlt, auch wegen meiner Neurodiversität. Das war manchmal sehr schmerzhaft. Gleichzeitig will ich das auch feiern, weil es mich zu der Person gemacht hat, die ich heute bin und mich zu der Musik gebracht hat, die ich heute mache." Früher wurde sie als "Weirdo" oder schlimmer beschimpft, heute benutzt sie diese Beleidigung als Albumtitel – ein Zeichen der Selbstermächtigung. Zum ersten Mal stellt sich Emma-Jean Thackray ins Zentrum ihrer Musik. Ihr Partner starb unerwartet vor zwei Jahren und hinterließ eine große Lücke in ihrem Leben. Auf "Weirdo" verarbeitet sie Trauer und Einsamkeit. Dabei findet sie immer einen Weg Licht ins Dunkel zu bringen – durch makabren Witz und frenetische Melodien.

Zwischen den Extremen

Die Vorab-Single "Wanna Die" ist so ein Song, der diese Ambivalenz auf den Punkt bringt. Emma-Jean Thackray singt zu rasenden Drums und schillerndem Chor davon, dass sie selbst gar nicht sterben wolle – außer jedes Mal, wenn ihr eben doch danach wäre. "Das ist meine Art von Humor. Ich finde das superwitzig. Aber Menschen, die mir nah stehen, erschreckt das natürlich."

Emma-Jean Thackray bezeichnet sich selbst als unausgeglichene Person. Bei ihr gebe es immer alles oder nichts. Das wirkt sich auch auf das Album aus. In Ihren Liedern zeigt sie beide Seiten der Medaille.

"Ich versuche immer das Gute im Schlechten zu finden. Leider aber auch das Schlechte im Guten. Ich bin keine ausgeglichene Person, ich bin sehr extrem." Emma-Jean Thackray

Zwischen Trauer und Tofu

Neben Traurigkeit und existentiellen Fragen singt Emma-Jean Thackray auch über Alltägliches und Albernheiten. "Ich wollte die verschiedenen Seiten zeigen, die zu meinem Leben gehört haben. So ist es eben mit Trauer. Du kannst dich nach dem Sinn des Lebens fragen und warum dir deine geliebte Person genommen wurde. Und dann denkst du ‚Oh, ich muss Abendessen machen." Und so hat die "militante Veganerin" ihrem Lieblingsessen Tofu einen Song gewidmet.

Jazz-Fusion aus dem Heimstudio

Emma-Jean Thackray hat "Weirdo" komplett allein in ihrem Home-Studio im Süden von London geschrieben und eingespielt. Kein Problem für die Multiinstrumentalistin, die gar nicht so genau weiß, wie viel Instrumente sie eigentlich beherrscht. Angefangen hat alles in ihrem Geburtsort Yorkshire, einer Gegend, die für ihre Brass-Band-Kultur bekannt ist. Dieser Einfluss hat sie geprägt: Emma-Jean Thackray spielte in diversen Brass-Bands, lernte Instrumente wie Trompete, Flügelhorn, Klavier, dann studierte sie am Royal Welsh College of Music and Drama in Cardiff und am Trinity Laban Conservatoire in London.

Schon mit ihrem Debütalbum "Yellow" von 2021 wurde Emma-Jean Thackray in der britischen Hauptstadt zum Fixpunkt der Nu-Jazz-Szene. Was sie auszeichnet, ist ihre genrebefreite Herangehensweise an Musik. Die sei so viel mehr als Jazz sagt sie. Stimmt, z.B. Grunge, P-Funk, Soul oder HipHop. Auf dem Label Brownswood Recordings von DJ und Radiomoderator Gilles Peterson hat sie den Raum bekommen, ganz nach ihrer Vision experimentieren zu können.

Weirdo-Club

Die Soundpalette auf "Weirdo" ist ebenso komplex wie die Gefühlswelt. In Songs wie "It’s Okay" liefert sie die Zuversicht, dass alles schon irgendwie klappen wird. In "Black Hole" schildert sie mit Comedian und Musiker Reggie Watts als Feature-Gast auf komische Art das Gefühl der Verlorenheit – in einem schwarzen Loch im Weltraum. "Menschen empfinden Schmerz und Leid in ihrem Leben auf unterschiedlichste Art und Weise. Ich hoffe, sie können fühlen, dass sie dabei nicht allein sind, wenn sie das Album hören."

Emma-Jean Thackray selbst hat das Album auf jeden Fall geholfen durch eine schwere Zeit zu kommen. "Weirdo" hat sie in erster Linie für sich und ihren eigenen Seelenfrieden gemacht. Jetzt, wo sie ihre ganz persönlichen Empfindungen in Musik ausdrücken konnte, wünscht sie sich, alle Menschen, die ähnlich fühlen, zusammenzubringen: "Wie in einem Club der Weirdos."