
Dur-Dur Band Int.: "The Berlin Session"
Die Berlin-Mogadischu Connection
Stand: 27.03.2023, 00:01 Uhr
Unter dem Namen Dur-Dur Band Int. versammeln sich Artists aus der goldenen Pop-Ära Somalias in den Siebzigern und Achtzigern. "The Berlin Session" bringt den Sound dieser Zeit auf ein aktuelles Level.
Von Kai Brands
Funk, Reggae, Disco, Soul. In Clubs, Strandbars, Hotels oder Theatersälen. Das war ein wichtiger Teil der Popkultur im Mogadischu der 70er und 80er Jahre. Ab Anfang der 90er flohen viele vor dem Bürgerkrieg im Land, auch die damals bekannte Dur-Dur Band.
Viele Jahre später, im Frühjahr 2019 bereiten sich Musiker*innen der Dur-Dur Band Int. in den Butterama Studios in Berlin-Neukölln auf einen großen Auftritt vor. Ein Konzert im glanzvollen Theatersaal des Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Der Geist glanzvoller Zeiten Somalias soll wieder aufleben. Auch ein emotionaler Moment des Wiedersehens. Manche haben sich seit mehr als 30 Jahren nicht gesehen.
Mogadischu in Berlin
Bei der Besichtigung des Saals in Berlin erinnern sich die Beteiligten an das Nationaltheater in Somalias Hauptstadt Mogadischu. "Als ich im Theatersaal war, war ich nicht mehr in Deutschland. Ich war in meinem Land in Afrika. Ich war in Mogadischu. Denn unser Saal war derselbe wie der in Berlin. Damals war ich noch keine Sängerin. Aber meine große Schwester schon. Und sie hat mich jeden Tag zum Theater mitgenommen, wenn sie dort geprobt hat. Und als ich dann in Berlin war, dachte ich: 'Wow, heute singst du in deinem eigenen Theatersaal!"
Die somalische Sängerin Faadumina Hilowle, die wie die meisten ehemaligen Mitglieder der Dur-Dur Band in London lebt, stammt aus einer musikalischen Familie. Ihre Cousine, die sie auch als ihre "große Schwester" bezeichnet, war in den Achtzigern eine bekannte Sängerin. Faadumina Hilowle gehört zu den jüngeren Mitgliedern des Kollektivs, dessen Besetzung nicht starr ist, sondern über die Jahre immer wieder gewechselt hat. Und weiter wechselt, sagt Band-Manager Liban Noah. Er ist ebenfalls aus Somalia, hat als Sozialarbeiter Workshops und Aktionen für die Somali Community organisiert und das Projekt in den Nullerjahren ins Leben gerufen. Zuerst gab es vor allem Auftritte innerhalb Community in London. Es folgten internationale Auftritte und nun das erste Album mit neuen Aufnahmen.
Eine spezielle Aufnahmetechnik
Produziert wurde "The Berlin Session" vom Musiker und Produzenten Nicolas Sheikholeslami aus Berlin. Schon 2014 hatte er sich in Musik aus der somalischen "Goldenen Ära" via YouTube vertieft. Er stieß auf alte VHS-Aufnahmen, stellte eine erste Compilation zusammen. 2017 folgte eine weitere: "Sweet As Broken Dates: Lost Somali Tapes From The Horn Of Africa" via Ostinato Records. Dafür gab es eine Grammy-Nominierung. International ist die Musik Somalias der Siebziger und Achtziger vor allem durch solche Compilations zugänglich gemacht worden. In Somalia selbst galt ein Musik-Verbot.
Aufgrund seiner Expertise wird Nicolas Sheikholeslami damit beauftragt, Artists für das Event in Berlin zu organisieren. Der Kontakt zu Liban Noah und Dur-Dur Int. war da, ihre Einbeziehung lag auf der Hand. Die Proben im HKW wurden aufgezeichnet, erzählt Nicolas Sheikholeslami: "Der Gedanke war ursprünglich nicht, ein Album aufzunehmen, sondern es sollte für das Konzert geprobt werden. Wir haben das so eingerichtet, dass sie das eigentlich gar nicht mitbekommen, dass sie aufgenommen werden. Damit alle relaxter ihr Repertoire erspielen können. Sie haben sich ja lange nicht gesehen." Nach einiger Zeit sind die Songs zu einem Album kompiliert worden.
Mehr als negative News
"Lasst uns den Staub abschütteln, Jungs!" Das ist die Ansage der somalischen Sängerin Fadumina Hilowle auf dem Opener "Wan ka heela" ("Ich mag dich"). Dass sich die Artists lange nicht gesehen haben, hört man den Songs nicht an. Neben Originalmitgliedern der alten Dur-Dur Band wie Bassist Cabdillahi Cujeeri, sind neben der Sängerin Faadumina Hilowle zwei weitere prägende Artists aus Anfangstagen dabei. Zum einen der Gründer der früheren Sharaf Band, Sänger Cabdinuur Allaale aus Dschibuti. Zum anderen Xabiib Sharaabi. Er lebt in Schweden und galt als "Somali King of Pop".
Viele Menschen aus Somalia leben seit Beginn des Bürgerkriegs im Exil. Das Land hat sich bis heute nicht erholt: Es gibt immer wieder Schlagzeilen von Gewalt, von Terror durch die islamistische Miliz al-Shabaab, Piraterie auf dem Meer oder Hungersnöten. Auch deshalb liegt den Musikerinnen und Musikern das Projekt am Herzen, sagt Faadumina Hilowle: "Wir möchten unserer Generation, die nur an Bürgerkrieg oder al-Shabaab denkt, klarmachen, warum wir das Dur-Dur-Projekt machen. Wir wollen ihr zeigen, dass es mehr gibt als das. Wir haben wunderschöne Sachen. Schöne Musik. Schöne Kleider. Schöne Kulturen. Deshalb bin ich bei Dur-Dur dabei. Ich möchte das unserer Generation und auch meinen Kindern zeigen."
Demnächst stehen Auftritte im UK an. Konzerte in Europa und den USA sind in Planung. Auch nach Berlin möchte das Projekt gerne zurückkehren. Die Erinnerung an Berlin und vor allem an eine glanzvolle Zeit der Musik in Somalia hält "The Berlin Session" nun fest. Dur-Dur Band Int. liefern acht Songs. Über Probleme. Über Liebe. Mit jeder Menge Groove und Funk. Nostalgisch auf bessere Zeiten zurückblickend. Und mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft.