Tschernobyl, Challenger-Katastrophe, Perestroika, AIDS-Krise: 1986 war ein gutes Nachrichtenjahr. Das gilt auch für die Redaktion von News at Six aus der australischen TV-Serie "Die Newsreader". Aber während sich um sie herum die Welt verändert, wirkt es in der Redaktion manchmal so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Chefredakteur Lindsay thront über seinen Newsroom wie ein Alleinherrscher und brüllt regelmäßig rum. Der 60-jährige Nachrichtenmoderator Geoff, ein Ex-Vietnam-Reporter, wie er oft genug betont, nimmt sich selbst etwas wichtig.
Seiner "jungen" Kollegin Helen – auch schon um die 40 Jahre alt – lässt er nur wenig Raum. Seiner Meinung nach will sie die News von harten Fakten auf Sentimentalitäten umbügeln, dabei ist sie es, die die Einschaltquoten bringt. Und dann ist da noch die wirklich junge Generation: Dale, ein Nachwuchsreporter, der von jeder Seite des Konflikts in Beschlag genommen wird. Und Noelene, die koreastämmige Rechercheurin, die die ganze Arbeit in der Redaktion macht, aber dafür kaum gewürdigt wird.
Die Vorurteile ihrer Zeit
"Die Newsreader" schildert all dies im perfekten 80er-Jahre-Style von den Frisuren bis zu den Schulterpolstern. Sogar der Soundtrack besteht aus cheesy digitalen Synthesizer-Sounds. Interessanter ist aber, wie die Serie die Themen der 80er-Jahre aufgreift, etwa den Umgang mit AIDS. Dale dreht dafür einen Beitrag über eine Mutter, die sich bei einer Bluttransfusion mit HIV infiziert hat. Sein Chefredakteur findet den Beitrag und behauptet, dass Nachrichten über AIDS sich negativ auf die Einschaltquote auswirken würden. Die Mutter hatte beim Interview behauptet, dass HIV-positive Schwule die Blutbank bewusst aufgesucht hätten. Dale hält diese Behauptung für einen psychologischen Schutzmechanismus der Frau und sagt, dafür gäbe es keine Belege. Sein Chef will die Stelle aus dem Interview trotzdem senden.
Noelene entdeckt dann ein vermeintliches Zitat eines Schwulen-Aktivisten: "Wenn wir erst drohen oder Blut spenden müssen, um ihre Aufmerksamkeit zu erwecken, dann ist das wohl so." Der Beitrag wird umgeschnitten, aber das vermeintlich entlarvende Zitat ist ein Hoax, eine Erfindung einer fundamentalistischen Gruppe. Und obwohl es Chefredakteur Lindsay war, der das gefälschte Zitat und die nicht belegte Behauptung im Beitrag haben wollte, wird Noelene gefeuert. In Szenen wie dieser zeigt "Die Newsreader" sehr klar, welche Hierarchien in der Redaktion herrschen: Frauen, ethnische und sexuelle Minderheiten werden in der Serie kleingehalten, obwohl sie oft die bessere Arbeit leisten.
Nicht realistisch, aber wahr
Einen realistischen Einblick in die Arbeit einer Redaktion bietet "Die Newsreader" jedoch nicht. Dafür ist der Plot oftmals zu sehr dramatisch verdichtet und wirkt daher konstruiert. Dennoch hat die Serie einen wahren Kern. Sie zeigt, dass im Nachrichtengeschäft zwar die Meisten darum bemüht sind, eine wahrhaftige, sauber recherchierte Geschichte zu erzählen. Aber welchen Raum eine Geschichte eingeräumt bekommt und wer sie wie erzählen darf, hat viel damit zu tun, wer in einer Redaktion über Macht und Einfluss verfügt.