Non-binär zu sein, bringt in so vielen Situationen im Alltag Schwierigkeiten mit sich, das können binäre Personen kaum nachvollziehen. Unsere Sprache ist nicht darauf ausgerichtet, Menschen anzusprechen, die weder die Pronomen sie noch er wählen wollen. Öffentliche Toiletten sind meistens binär eingeteilt und auch so ist es immer noch die Ausnahme, dass du ein Kreuz bei divers machen kannst. Wie fühlt sich das an, so aufzuwachsen? Wie sieht ein Leben als non-binäre Person aus? Eine Serie, die in diesen Tagen online geht, erzählt die Geschichte von Charlie. Mit Anfang zwanzig tut sich für Charlie eine neue Welt auf.
Vorneweg ist die Hauptdarstellerin Lea Drinda umwerfend. Sie spielt Charlie als androgynen Menschen, die ein bisschen verloren in einer Offenbacher Platte lebt. Mit einer Mutter, die wenig gebacken bekommt, zu viele Schulden hat, sodass Fabia, Charlies Tante, das hart Ersparte von Charlie einfach einsackt. Charlie macht mehrere Jobs gleichzeitig - Fahrrad-Lieferdienst, Hausmeister, Putzjobs - Hauptsache irgendwie raus kommen. Rappen hilft Charlie über Liebeskummer hinweg und als Ventil für die Wut, dass das Leben im Moment echt anstrengend ist. Als Zuschauende sind wir wie in Charlies Kopf mit unterwegs und die Kamera ist so nah dran, als würden wir aus Charlies Perspektive durch das Chaos gezogen.
Von Anfang an schwingt mit, dass Charlie sich nicht wohlfühlt, wenn es um irgendwelche Identitätszuschreibungen von männlich oder weiblich geht. Aber erst die Nachbarin Ronja, bei der die Spüle leckt, spricht Charlie offen darauf an. Charlie hat sich bisher noch nicht mit der Frage beschäftigt und Ronja tritt da einiges los. Drumherum ist alles vertreten: miese Chefs, hilfsbereite Freunde, blöde Sprüche, kleine und größere Katastrophen.
Die Serie sollte man sich wirklich anschauen, weil es nicht nur im deutschen Fernsehen fast keine Serien mit non-binären Hauptfiguren gibt, sondern "Becoming Charlie" auch sonst einfach so viel richtig macht. Der Cast ist selbstverständlich divers, die Sprache ist echt und dann immer wieder die tolle Charlie - ständig schwankend zwischen furchtlos, forsch und unsicher, schüchtern - das alleine bringt schon viel Spannung. Ganz selten ist die Serie mal plakativ und viele kleine formale Ideen zeigen die Detailliebe: Gezeichnete Chats, intensive Farben - die Serie sprüht genauso wie Charlie vor Lebenslust. "Becoming Charlie" ist ab dem 20. Mai in der ZDFneo-Mediathek sehen und mehr Seriengespräche hört ihr im WDR COSMO Serienpodcast Glotz und Gloria.