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Werkeinführung: Igor Strawinsky - Der Feuervogel

Von Anja Renczikowski

Komponist Igor Strawinsky

Komponist Igor Strawinsky

Um 1900 gilt das Ballett als verstaubt und langweilig, doch dann erhebt es ein umtriebiger Impresario aus Russland zur neuen Kunstform. Nach seinem Erfolg mit einem Ballett zur Musik von Nikolaj Rimskij-Korsakow will Sergej Diaghilew das Pariser Publikum 1910 mit einem neuen Werk überraschen: "Der Feuervogel". Igor Strawinsky – ein junger Pianist und in Frankreich noch ein Unbekannter – bekommt die Chance seines Lebens: Sein Lehrer Anatolij Ljadow, der ursprünglich als Komponist engagiert worden war, lässt sich einfach zu viel Zeit. Strawinsky verhilft so den extravaganten "Ballets Russes" zum Sensationserfolg.

Sergej Diaghilew ist fortan einer der wichtigsten Förderer Strawinskys. Weitere großartige Ballette wie "Petruschka" (1911) und das skandalträchtige "Le sacre du printemps" (1913) schreibt Strawinsky für die Compagnie der "Ballets Russes", die auf ganz eigene Weise nach einem neuen Gesamtkunstwerk strebt – als Symbiose aus Tanz, bildender Kunst, Dichtung und Musik.

Kurz und Klassik: Strawinsky - Feuervogel

WDR Sinfonieorchester Video 09.10.2019 05:52 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Gedanken von Cristian Măcelaru

Gedanken von Cristian Măcelaru

Eine rein instrumentale Charakterzeichnung mittels musikalischer Leitmotive, die auf der Bühne durch die Bewegungen von Tänzer*innen dargestellt werden, erreichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Die Zusammenarbeit von Igor Strawinsky mit den von Sergej Diaghilew gegründeten "Ballets Russes" brachte die bekanntesten Werke dieses Kunstgenres hervor.

Die Kraft abstrakter musikalischer Gesten und ihre Symbolik sprechen eine so lebendige Sprache, dass wir diese musikalischen Formen als eigenständige sinfonische Werke akzeptiert haben – selbst dann, wenn sie eigentlich dafür gedacht sind, Bewegungen zu begleiten und zu unterstreichen. Dies zeigt die immense Kraft, mit der Musik eine Geschichte erzählen kann.

Bereits Strawinskys erste Zusammenarbeit mit den großartigen "Ballets Russes" war von großem Erfolg gekrönt. Der junge Komponist beherrschte die Kunst des Orchestrierens bereits souverän und konnte bis dahin ungehörte Klänge erzeugen. Auch wenn sich seine Fähigkeiten deutlich an die Kompositionen seines Lehrers Rimskij-Korsakow anlehnten, der auch ein umfangreiches und wegweisendes Instrumentationslehrbuch verfasst hatte, ging Igor Strawinsky beim Erforschen der Orchesterfarben weit über ihn hinaus. Außerdem verwendet er alte Volksmelodien aus seiner Heimat Russland. Diese Melodien sind, wie alle Volkslieder, voll von Geschichten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Diese einzigartige Mischung aus altvertrauten Klangwelten, kraftvoll nacherzählt mit den klanglichen Mitteln der Moderne, war dem Ansatz sehr ähnlich, den Pablo Picasso zu dieser Zeit in der Malerei entwickelte. Auch die Geschichte des "Feuervogels" setzt sich aus einer Reihe von Charakteren verschiedener Märchen zusammen, kombiniert mit dem Bühnenbild von Alexandre Benois und der Choreografie von Michel Fokine. Diese neue Erzählweise der alten Kunstform füllte Strawinskys Musik mit Leben.

Das Libretto von "Der Feuervogel" verknüpft drei altrussische Volksmärchen zu einer zauberhaften Geschichte: Die freiheitsliebende und menschenfreundliche Fee – der Feuervogel – führt die Liebenden Zarewna und Zarewitsch aus der Gewalt des bösen Zauberers Kastschej. Obwohl Strawinsky befürchtet, seine Musik könnte wie "nachgemachter Rimskij-Korsakow" klingen, also nach seinem ehemaligen Lehrer, sind nicht nur dessen Einflüsse, sondern auch die von Claude Debussy unverkennbar. Alle klangmalerischen Möglichkeiten des Orchesters werden ausgenutzt: Zarte Feinheiten, treibende Rhythmen und schwebende Stimmungsbilder wechseln sich ab. Diese klanglichen Raffinessen verleihen der Partitur auch neben der szenischen Darstellung einen besonderen Reiz, stellten aber gleichzeitig die Tänzer und Tänzerinnen der Uraufführung im Juni 1910 vor ungewohnte Schwierigkeiten. Die Primaballerina Tamara Karsawina beschreibt die Vorbereitung zur Aufführung als "ein tränenreiches Lernen". Doch der Erfolg stellt sich nicht nur für die Tanzcompagnie ein. Schon kurz nach der Premiere wählt Strawinsky fünf Stücke für eine Konzertsuite aus. Ihr folgt 1919 eine zweite und 1945 eine dritte Fassung.

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