A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
Z

Werkeinführung: Hèctor Parra - Wanderwelle

Von Torsten Möller

Fast 200 Jahre ist es her, dass Ludwig van Beethoven seine Diabelli-Variationen komponierte. Es ist ein furioses Spätwerk, für manche gar der Gipfel der traditionellen Variationskunst mit dieser ebenso seltenen wie seltsamen Mischung voller Mystik, voller Ironie und unerwarteten Wendungen. Es heißt, Johann Sebastian Bach bündelte in seinen bekannten Goldberg-Variationen die Musikgeschichte vor ihm. Beethoven wiederum öffne mit den 1823 beendeten Diabelli-Variationen Wege in die Zukunft. Ganz avantgardistisch.

Der 1976 in Barcelona geborene Komponist Hèctor Parra folgt der Fährte Beethovens. Er blickt in seinem unter anderem für die Kölner Philharmonie komponierten Auftragswerk "Wanderwelle" zurück auf die Diabelli-Variationen, flicht punktuell einige Zitate ein und orientiert sich zudem an der Großform, indem er ebenfalls 33 Variationen schreibt. Parra nimmt sich Freiheiten, aber der Ausdruck lässt sich schon mit Beethovens Vorlage in Verbindung bringen.

Auch die Texte stammen von Ludwig van Beethoven: Aus den legendären Konversationsheften, mit denen sich der taube Komponist verständigte, entnahm der österreichische Schriftsteller Händl Klaus diverse Passagen und stellte sie für "Wanderwelle" neu zusammen. Parra betont, dass die schriftlichen Kommentare des tauben Beethoven singulär seien in der Musik- und Kunstgeschichte. Sie wirken auf ihn sehr intim, sagt er. Fast so, als würde man "mit einer Videokamera über Beethovens Schultern blicken".

Zu jeder textlichen Passage fand Parra die emotional passende Variation. Er fühle sich fast wie ein "Schamane" mit seiner verbalen und nonverbalen Meditation über Beethovens Befindlichkeiten am Ende von dessen Leben – inklusive aller Abgründe, aller Enttäuschungen, Depressionen, aber auch mit Ironie und expressiver Kraft.