Ludwig van Beethoven - "Eroica" Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55

WDR Sinfonieorchester Video 18.11.2017 51:08 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Ludwig van Beethoven - "Eroica" Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55

Stand: 09.03.2018, 12:03 Uhr

  • Teil des Beethoven-Zyklus 2017/2018 unter Jukka-Pekka Saraste
  • Das WDR Sinfonieorchester in der Kölner Philharmonie am 18.11.2017
  • Einführung in die Sinfonie Nr. 3 Es-Dur

Von Clemens Matuschek

Beethovens dritte Sinfonie, die "Eroica", nimmt in der Musikgeschichte einen ganz besonderen Platz ein. Nicht wenige Fachleute halten sie für die wichtigste Sinfonie, die jemals geschrieben wurde. Tatsächlich sprengt allein ihr Umfang alle bis dato gekannten Maßstäbe. Und nur bei wenigen Werken greifen historische Bedeutung und mythische Überhöhung so unmittelbar ineinander wie hier.

Napoleon oder Prometheus?

Da wäre die legendäre Widmung: Beethoven, glühender Bewunderer der Französischen Revolution, hatte die Sinfonie ursprünglich zu Ehren von Napoleon Bonaparte komponiert. Doch als sich Napoleon Ende 1804 selbst zum Kaiser krönte, schlug Beethovens Verehrung in Verachtung um. "So ist er auch nichts anderes als ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er alle Menschenrechte mit Füßen treten und nur seinem Ehrgeiz frönen; er wird sich höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden!" Mit diesen Worten, so berichtet Beethovens Schüler und Sekretär Ferdinand Ries, habe Beethoven wütend das Titelblatt der Sinfonie zerrissen.

Napoleon im Arbeitszimmer mit Hand in der Weste (Gemälde von Jacques-Louis David, 1812)

Napoleon Bonaparte - der ehemalige Widmungsträger

Nun ja, die Schnipsel sind nie gefunden worden. Offensichtlich hat Ries ein bisschen zu dick aufgetragen, um am Mythos seines Idols zu stricken und von einem recht profanen Sachverhalt abzulenken: Beethoven hatte mit dem Gedanken gespielt, Hofkomponist in Paris zu werden und sich mit einer neuen Sinfonie entsprechend einzuführen. Als sich diese Aussicht zerschlug und ihm gleichzeitig mehrere Wiener Adelige eine Pension auf Lebenszeit garantierten, war die Widmung an Napoleon nutzlos geworden – und Beethoven änderte flugs die Titelseite, um vom neuen Widmungsträger, dem Grafen Lobkowitz, nochmals eine Stange Geld zu kassieren.

"Intitolata Bonaparte"

Auf der sehr wohl existierenden, intakten (!) Titelseite der "Heroischen Sinfonie" ist die Widmung "intitolata Bonaparte" lediglich ausradiert – allerdings so heftig, dass das Papier durchgescheuert wurde. An ihre Stelle setzte Beethoven den Vermerk: "Komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern." Wen Beethoven damit gemeint haben könnte, das bleibt bis heute rätselhaft. Den neuen Widmungsträger, Beethovens treuesten Mäzen? Oder den preußischen Prinzen Louis Ferdinand, der kurz zuvor im Befreiungskampf gegen die Franzosen gefallen war? Oder doch den griechischen Halbgott Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte – die mythische Personifizierung all jener Ideale der Aufklärung, für die Napoleon Bonaparte nun nicht mehr stehen konnte? Musikalisch immerhin ist das plausibel: Das Thema des letzten Satzes stammt aus dem Prometheus-Ballett, das Beethoven kurz zuvor fertiggestellt hatte.

"Wie ein Peitschenknall"

Andererseits ist die Sinfonie ein Musterbeispiel für die meisterhafte Handhabung abstrakter kompositorischer Prinzipien. Zum Beispiel fußt der erste Satz (genau wie jener der fünften Sinfonie) auf einem einzigen, denkbar simplen musikalischen Motiv, das Beethoven zu Beginn einmal isoliert vorstellt. Es handelt sich um einen schlichten Dreiklang, die Basis europäischer Musik – in Form von zwei Akkordschlägen, die "wie ein Peitschenknall den eleganten Formalismus des 18. Jahrhunderts zerschmettern" (Leonard Bernstein). Folgerichtig besteht auch das anschließend von den Celli vorgestellte Thema nur aus einem gebrochenen Dreiklang. Ungeklärt bleibt nur, warum das Horn nach dem Mittelteil zu früh mit dem Thema in das erwartungsvolle Streichertremolo hineinplatzt – ein musikalischer Scherz?

Gemälde, auf dem ein Adler auf Prometheus zufliegt

Prometheus – Ölskizze von Peter Paul Rubens

Im zweiten Satz, überschrieben mit "Marcia funebre", verwendet Beethoven zahlreiche Motive aus Trauermärschen der Französischen Republik – ein Hinweis auf die ursprüngliche Widmung. Der dritte Satz etabliert eine Errungenschaft aus der vorherigen Sinfonie: Statt eines gestelzten höfischen Menuetts saust ein quicklebendiges Scherzo vorbei. Erinnerungen an adlige Jagdgesellschaften wecken dagegen die übermütigen Hörner im eingeschobenen Mittelteil. Mit einem grandiosen Effekt leitet Beethoven dann das Finale ein: Dem großen Aufgalopp folgt eine Musik, die sich dank der Pizzicati wie auf Zehenspitzen bewegt. Tatsächlich handelt es sich um die erste einer Folge von Variationen – nur dass Beethoven so frech ist, das eigentliche Thema erst in der dritten Variation vorzustellen: die Ohrwurm-Melodie aus dem Prometheus-Ballett. Fast zehn Minuten beziehungsweise 400 Takte lang beschäftigt sich Beethoven in einer einzigartigen Kombination aus fantasievoller Variation und kunstfertiger Fugentechnik mit diesem Thema, bevor er die Sinfonie mit einer großen Coda beendet. Wem auch immer die Widmung der "Eroica" gelten mag: Ludwig van Beethoven hat sich mit ihr selbst ein Denkmal gesetzt.

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 3 Es-Dur, op.55 "Eroica"

WDR 3 Meisterstücke 09.09.2018 12:28 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3


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