Hohe Benzinpreise: Habeck droht Ölkonzernen

Stand: 12.06.2022, 19:06 Uhr

Bundeswirtschaftsminister Habeck erwägt eine Verschärfung des Kartellrechts. Das Gesetz richtet sich gegen Ölkonzerne, die den Tankrabatt angeblich in die eigene Tasche stecken.

Seit fast zwei Wochen warten Autofahrer darauf, dass die Preise an der Tankstelle endlich wieder auf ein erträgliches Maß sinken - bisher vergeblich. Dabei waren die Erwartungen groß: Zum 1. Juni war der Tankrabatt als Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung in Kraft getreten. Es handelt sich um eine auf drei Monate befristete Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe.

Doch: Nach einem kurzen Rückgang waren die Preise an den Tankstellen nach Angaben des ADAC zuletzt täglich wieder gestiegen. Ein Liter Diesel war am Samstag nur noch 3,2 Cent billiger als am Tag vor der Absenkung der Steuer um 16,7 Cent. Super E10 war immerhin noch um 20,9 Cent günstiger - allerdings bei einer Steuersenkung um satte 35,2 Cent.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Am Sonntag erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dass er mit einer Verschärfung des Kartellrechts reagieren will. Zuerst hatte "Der Spiegel" berichtet. Was ist konkret geplant? Und wie sind die Erfolgsaussichten? Fragen und Antworten.

Was wirft die Bundesregierung der Ölindustrie konkret vor?

Mineralölkonzerne haben angeblich die niedrigeren Energiesteuern nicht im vollen Maße an die Verbraucher weitergegeben. Habeck verweist dabei auf eine Analyse des Bundeskartellamts: Demnach sind seit der Einführung des Tankrabatts die Preise an der Tankstelle schneller gestiegen als die Rohölpreise auf dem Weltmarkt. "Die Gewinne für die Mineralölkonzerne steigen. Das was als Entlastung für die Bürgerinnen und Bürger gedacht war, geht in die Taschen der großen Mineralölkonzerne", erklärte Habeck am Sonntag. Er könne die Empörung in der Bevölkerung gut verstehen.

Was kann das Bundeskartellamt dagegen tun?

Nach geltendem Recht: eigentlich nichts. Das Kartellrecht schaltet sich in erster Linie bei illegalen Preisabsprachen ein. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, dass Ölkonzerne sich heimlich darauf verständigt haben, die Preise künstlich hochzuhalten und den Tankrabatt so in die eigene Tasche zu stecken.

Die Ölkonzerne hätten es gar nicht nötig, sich abzusprechen, heißt es in einem Positionspapier des Wirtschaftsministeriums: "Es gibt ein Parallelverhalten bei den Preisen im Markt." Die Unternehmen kennen die Preise ihrer Wettbewerber an den Tankstellen - dazu genüge eine kurze Recherche im Internet. "Das heißt, auch ohne eine kartellrechtswidrige Absprache werden die Preise sehr schnell einander angeglichen; ein Missbrauch des Wettbewerbsrechts ist schwer nachweisbar.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

"Das Kartellrecht reicht nicht aus, um die Unternehmen zu zwingen, diese Gewinne, diese Übergewinne zurückzugeben, beziehungsweise sie nicht zu erheben", begründete Habeck seinen Vorstoß. Gegen diese "Machtlosigkeit" müsse die Bundesregierung vorgehen.

Wie will Habeck das Kartellrecht verändern?

Habeck plant eine drastische Verschärfung der Gesetze. Das Ziel: Künftig soll das Bundeskartellamt auch dann eingreifen, wenn Unternehmen offensichtlich ihre Preise zulasten der Verbraucher künstlich hochhalten. Also auch dann, wenn eine direkte Preisabsprache zwischen Konkurrenten nicht nachgewiesen werden kann.

Die geplanten Strafen, die das Kartellamt in solchen Fällen gegen die Branche verhängen könnte, sind streng: In einem ersten Schritt wäre zum Beispiel eine Zerschlagung von Unternehmen des Mineralöl- und Tankstellenmarkts möglich. In einem weiteren Schritt könnte das Bundeskartellamt die unrechtmäßigen Gewinne der Konzerne abschöpfen.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Im WDR erklärte Oliver Krischer (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, die "Zerschlagung" von Konzernen sei nur "ultima ratio", also die härteste von allen möglichen Sanktionen. Noch wichtiger sei es, dass die Wettbewerbswächter künftig Einblick in die Bücher der Konzerne einfordern können. "Die Konzerne erzählen, sie haben höhere Kosten", sagte Krischer. Derzeit habe das Kartellamt keine Handhabe, um das auch zu überprüfen.

Das Wirtschaftsministerium will schon in den kommenden Wochen konkrete Vorschläge für ein neues Kartellrecht vorlegen.

Wie sind die Erfolgsaussichten für ein neues Gesetz?

Das ist noch nicht abzusehen. Die Mineralölwirtschaft schaltete bereits am Sonntag auf Defensive: "Überlegungen, Unternehmen in Zukunft ohne Nachweis von Verstößen zu sanktionieren oder gar zerschlagen zu wollen, halten wir für sehr problematisch und sind aus Sicht betroffener Unternehmen nicht nachvollziehbar", sagte der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie, Adrian Willig. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Branche mit allen juristischen Mitteln gegen eine Verschärfung des Kartellrechts wehren wird. Die Gesetzesänderung könnte so verzögert oder stark abgemildert werden.

Selbst wenn die Steuererleichterung nicht im vollen Maße an die Kunden weitergegeben wird, müssten erst die Verantwortlichen identifiziert werden: Sind es die Mineralöl-Konzerne selbst? Oder eher die Raffinerien und Tankstellenbetreiber?

Denn die Ölbranche sieht sich selbst nicht als Krisengewinnler: Sie verweist darauf, dass im Juni der internationale Börsenpreis für Rohöl deutlich gestiegen ist, wodurch die Wirkung des Tankrabatts teilweise verpufft sei.

Eine Möglichkeit gibt es noch: Allein die Drohung mit neuen Gesetzen könnte eventuell dazu führen, dass verantwortliche Marktteilnehmer noch einmal über ihre Preisgestaltung nachdenken. Wenn die Preise an den Tankstellen in den kommenden Wochen sinken, ohne dass es gleichzeitig eine Trendwende am Weltmarkt gibt, dann hätte Habeck auf höchst elegante Weise sein Ziel erreicht.

Könnte eine Gesetzesänderung sofort die Benzinpreise senken?

Eher nicht, das räumt auch das Wirtschaftsministerium ein: "Eine solche Verschärfung des Wettbewerbsrechts kann zwar nicht kurzfristig in der aktuellen Situation wirken, aber dem Staat die nötige Stärke geben, zukünftig besser einzugreifen." Angesichts solch schlechter Aussichten fordern Experten wie der Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, den Tankrabatt wieder zurückzunehmen. Er koste den Steuerzahler rund drei Milliarden Euro, erklärte Fratzscher auf Twitter, und habe bisher nur den Mineralöl-Konzernen geholfen.

Dieses Element beinhaltet Daten von Twitter. Sie können die Einbettung auf unserer Datenschutzseite deaktivieren.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) schloss indes Änderungen oder gar eine Abschaffung des Tankrabatts aus. Die FDP hatte sich nachdrücklich für die Steuerentlastung für Autofahrer eingesetzt.

Weitere Themen