Helikopter des chinesischen Militärs fliegen am 04.08.2022 im Rahmen des chinesischen Militärmanövers vor Taiwan an der chinesischen Pingtan-Insel vorbei

China-Taiwan-Krise: "Deutsche Wirtschaft wäre massiv mitbetroffen"

Stand: 05.08.2022, 10:52 Uhr

Der Ökonom Markus Taube von der Universität Duisburg-Essen äußert sich im Interview zu möglichen Auswirkungen des Konflikts zwischen China, Taiwan und den USA auf die deutsche Wirtschaft.

Nach dem Besuch der US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taiwan spitzt sich die China-Taiwan-Krise weiter zu - mit möglichen Folgen für die Weltwirtschaft. Sollte die Krise länger anhalten, werde das auch die deutsche Industrie treffen, sagt Ökonom Markus Taube. Laut dem Inhaber des Lehrstuhls für Ostasienwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen müsse die deutsche Wirtschaft Milliarden in die Hand nehmen, um die Industrie hierzulande zu stärken und unabhängiger aufzustellen.

WDR: Warum müssen sich deutsche Unternehmer sorgen, wenn die Stimmung zwischen China und den USA wegen Taiwan schlecht ist?

Markus Taube: Wir erleben damit eine beeinträchtigende Wirtschaftsdynamik in einer hochdynamischen Wirtschaftsregion der Welt. Das betrifft China, eine der größten Volkswirtschaften der Erde, und Taiwan, den zentralen Lieferanten von Halbleitern für die Weltwirtschaft. Zwei Drittel der Halbleiter, die in der Welt verarbeitet werden, kommen aus taiwanischer Produktion. Von daher: Alles, was dort an Verwerfungen geschieht, trifft uns unmittelbar.

WDR: Aber noch ist doch gar nichts passiert. Spielt die Dauer der krisenhaften Stimmung eine Rolle?

Markus Taube: Ganz sicher. Wir sehen momentan eine kurzfristige Blockade der taiwanischen Häfen, das wird drei, vier Tage andauern. Das ist momentan noch unproblematisch. Wenn das Ganze aber ein Monat wird, dann wird es spannend. Insbesondere aber wird es spannend zu sehen, was die längerfristigen Sanktionsmaßnahmen der Chinesen sein werden. Die fangen jetzt an und spielen mit dem Feuer. Aber die eigentlich relevanten Maßnahmen werden die sein, wo es um Wirtschaftsblockaden geht. Wir sehen bereits, dass chinesische Importe aus Taiwan blockiert werden. 100 taiwanische Unternehmen sind bereits gestoppt worden, Sand für die Bauindustrie wird nicht mehr nach Taiwan exportiert. Wir haben in Festland-China über 400.000 taiwanische Fachkräfte, Experten, die dort arbeiten. Über 4.000 taiwanische Unternehmen, die in Festland China tätig sind und dort den Hightech-Sektor bespielen und mitsteuern. Wenn es hier wirklich zu Verwerfungen kommt, dann wird auch die deutsche Wirtschaft sofort massiv mitbetroffen sein.

WDR: Die Weltwirtschaft bezieht sich jetzt zwar unmittelbar auf Taiwan, aber auch die chinesische Wirtschaft wird leiden, wenn sich diese Krise weiter zuspitzt. Richtig so?

Markus Taube: Definitiv. Beide Volkswirtschaften sind sehr eng miteinander verflochten. Und wir müssen viel mehr auf die Sekundäreffekte schauen, die sich in den nächsten Tagen und Wochen entfalten werden.  

WDR: Sie haben unsere Abhängigkeit von der Halbleiterproduktion skizziert. Lässt sich da aus unserer Perspektive da eigentlich kurzfristig etwas dran ändern oder zumindest kurzfristig gegensteuern?

Markus Taube: Kurzfristig kaum, mittelfristig sehr wohl. Wir müssen einfach Milliarden, wirklich Milliarden, in die Hand nehmen, um diese Industrie hier bei uns zu stärken. Die USA tun das bereits sehr massiv. Wir haben gerade erst 52 Milliarden US-Dollar im „Chips Act“ gesehen, der durch die beiden Häuser (des US-Kongresses) gegangen ist. Europa hängt da hinterher, wir müssen definitiv diese Industrie stärken, wir brauchen mehr eigene Kapazitäten. Aber das ist hochkomplex und nichts, was man in wenigen Monaten oder Jahren machen kann. Wir reden hier im Endeffekt über ein Jahrzehnt-Projekt, mit dem wir Eigenständigkeit schaffen müssen im Vergleich zu Asien und auch zu den USA.

WDR: Hat sich die deutsche Wirtschaft da in eine ähnlich große Abhängigkeit gebracht wie an anderer Stelle in Bezug auf Russland?

Markus Taube: Nein. Wir haben starke Player, die da sehr aktiv sind. Schauen Sie sich Infineon an, Aixtron etc. Aber wenn wir auf das Volumen schauen: Wie gesagt, zwei Drittel der Chips weltweit kommen aus taiwanischer Produktion, da sehen wir eine massive Unwucht. Und das ist eigentlich eine der Kerntechnologien für das, was wir Zukunftstechnologie nennen. Wenn wir über digitale Strukturen, über künstliche Intelligenz sprechen wollen: Überall sind Chips drin. Wir haben Dutzende von Chips in jedem einzelnen Auto verbaut. Das ist ein ganz zentraler Bereich, und da müssen wir einfach Kapazitäten ausbauen.

WDR: Wir hängen also, flapsig formuliert, am Halbleiterhaken. Wenn man sich diese wirtschaftliche Abhängigkeit anschaut, was erwarten Sie von der deutschen Bundesregierung in diesem Konflikt? Es wird ja auch die Frage diskutiert, ob eine deutsche Delegation nach Taiwan fahren sollte.

Markus Taube: Ich bin kein Freund davon, dass man immer weiter Öl ins Feuer gießt. Wir werden aufpassen müssen, dass Taiwan eigenständig bleibt, dass die Situation nicht weiter eskaliert. Wir dürfen auf keinen Fall das unterstützen, was aus Peking kommt – nämlich dass Taiwan in Anführungszeichen heim ins Reich geführt wird. Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass die stille Diplomatie mehr Erfolg hat als derartiges Getöse.

Das Interview führte Ulrike Römer.

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