Gewaltverbrechen in Freudenberg: Raus aus der Schockstarre

Stand: 13.03.2023, 20:44 Uhr

Das 12-jährige Mädchen aus Freudenberg, das seit Samstag vermisst wurde, wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Viele Menschen im Siegerland sind tief betroffen. Im Interview erklärt Peter-Thomas Stuberg, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein, wie Menschen so etwas verarbeiten können.

WDR: Wie wichtig ist es für die Kinder und Jugendlichen, für die Mitschülerinnen und Mitschüler, dass gerade in der Schule geholfen wird und ein offenes Ohr da ist?

Peter-Thomas Stuberg: Zunächst einmal sind unsere Gedanken und Gebete bei der Familie des gewaltsam getöteten Mädchens. Wir stehen alle noch unter einer Schockstarre und versuchen, da miteinander heraus zu kommen.

Die mit Schnee bedeckte Altstadt von Freudenberg mit ihren Fachwerkhäusern

Die mit Schnee bedeckte Altstadt von Freudenberg mit ihren Fachwerkhäusern

Für die Schülerinnen und Schüler haben wir ein Angebot mit unserem Schulpfarrer vorbereitet. Der Möglichkeiten über Symbole, einzelne Ereignisse, Karten und Schriftstücke eingeräumt hat, so dass Schüler sprechen können. Damit sie sagen können, was ihnen im Moment durch Kopf und Herz geht. Das ist sozusagen der erste Schritt, mit dem man wieder in eine Bewegung hinein kommen kann.

WDR: Sie waren heute Mittag auch in der Kirche in Freudenberg und haben sich umgeschaut. Was möchten Sie dort den Menschen bieten, die auch Gesprächsbedarf haben?

Stuberg: Mit dem Ortspfarrer habe ich besprochen, dass wir dort ein Kondolenzbuch ausstellen, damit Menschen aus Freudenberg und Umgebung dorthin kommen können. Sie können sich eintragen und hineinschreiben, was sie bewegt, was sie befürchten. Vielleicht auch ein stummes Gebet in der Kirche sprechen. Einfach Raum geben, ist uns wichtig. Das ist das erste, was getan werden soll.

Blick auf das Schulzentrum des ermordeten Mädchens. Die Schule hat geöffnet, die Fahnen sind auf Halbmast geflaggt.

Freudenberg: Blick auf das Schulzentrum, die Fahnen sind auf Halbmast geflaggt.

Ebenso haben die Mitarbeiter der Notfall-Seelsorge in der vergangenen Nacht bereits Menschen zur Seite gestanden. Sie wurden von Feuerwehr und Polizei gerufen und standen mit offenem Ohr und offenem Herz bereit, um diese Trauer und diesen Schmerz entgegenzunehmen und um die Befürchtungen, Sorgen und die Ängste der Menschen zu hören. Das ist erstes Anliegen der Seelsorge, die jetzt dran ist.

WDR: Wir leben in einer sehr friedlichen Gesellschaft, gerade hier im ländlichen Raum. Jetzt haben wir einen potenziellen Mörder, der frei herumläuft. Was macht das mit einer Stadt und mit den Menschen?

Stuberg: Ich glaube, wir sind alle zutiefst erschrocken darüber, dass eine solche Gewalttat geschah, von der wir eigentlich noch gar nichts richtig wissen. Wir sind im Bereich der Spekulationen und da will ich mich nicht beteiligen, was und wie das geschehen sein mag.

Aber wir sind erschrocken, dass das in unserer scheinbar friedlichen Region so stattfinden konnte. Wir werden das erstmal genauer betrachten müssen, was da vor sich gegangen ist und wie es jetzt weitergeht. Frieden zu suchen und sich friedlich zu verständigen, das ist unsere oberste Prämisse.

WDR: Peter-Thomas Stuberg, vielen Dank! Es gibt sehr viele Möglichkeiten, auch für die Menschen in Freudenberg, sich mit diesen schwierigen Gefühlen auseinander zu setzen. Zum Beispiel bei Ihnen in der Kirche.

Das Interview führte Stefan Fuckert.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 13.03.2023 im Fernsehen in der WDR Lokalzeit Südwestfalen.