Ukrainerinnen in Münster: Schwerer Neustart nach Flucht

Stand: 11.04.2022, 10:09 Uhr

Seit ihrer Flucht aus Ukraine begleitet die Lokalzeit Münsterland eine Familie, die in Münster Zuflucht gefunden hat. Die Töchter Alina und Viktoria gehen jetzt in Münster zur Schule. Vater Andrej ist weiterhin in der ukrainischen Stadt Charkiw.

Von Detlef Proges

Es ist ein bedrückender Nachmittag für Alina, ihre kleine Schwester Viktoria und ihre Mutter Irina. Papa Andrej, der in ihrer Heimatstadt Charkiw im Osten der Ukraine geblieben ist, ist für einen Videoanruf extra ins Stadtzentrum gelaufen. Zum ersten Mal sieht seine Frau Live-Bilder aus der einstigen Millionenstadt. "Ein Alptraum", sagt sie.

"Es ist schrecklich, dass meine Stadt nicht mehr existiert." Alina, 17, Geflüchtete

Bisher war der Ehemann bei den gemeinsamen Videotelefonaten im Wohnhaus. Jetzt schwenkt er sein Handy durch eine menschenleere Straße im Zentrum der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Es sind viele zerstörte Gebäude zu sehen.

Irinas Freundin Natalya, die mit ihr zusammen in einer kleinen Privatwohnung in Münster untergekommen ist, kommt dazu, schaut kurz auf die Videobilder und bricht sofort in Tränen aus.

Sorgen um die Freunde und Sehnsucht nach der Heimat

Die Töchter Alina und ihre zehnjährige Schwester Viktoria sitzen während des Gesprächs im Hintergrund auf dem Sofa. "Mit Papa telefoniert immer die Mama", sagt Alina leise. Sie macht sich große Sorgen um ihren Vater, ihre Freundinnen und alle Bekannten, die noch in der Ukraine sind.

In Charkiw hatte Alina Informatik studiert. Sie hat große Sehnsucht nach der Heimat. Doch wenn sie über Charkiw redet, klingt sie hoffnungslos: "Es ist schrecklich, dass meine Stadt nicht mehr existiert, dass das Land nicht mehr existiert. Ich kann es nicht in Worte fassen".

Schule und Kindergarten in Charkiw zerstört

An der Friedensschule in Münster verbessern die Schwestern ihr Deutsch, das sie bereits in Charkiw gelernt haben. Die zehnjährige Viktoria spielt oft mit den beiden Hunden, die sie aus der Ukraine mitbringen konnten. Dann ist sie fröhlich und ausgelassen. Doch sie und ihre Familie haben schreckliche Dinge durchgemacht.

Die Schule des Mädchens, der Kindergarten, in dem Freundin Natalya als Erzieherin gearbeitet hat - völlig zerstört. Vor ihrer Flucht haben die zwei Frauen und ihre Schwestern in der U-Bahn in Charkiw tagelang Schutz vor Bomben gesucht.

An der polnisch-ukrainischen Grenze haben wir sie für den WDR zum ersten Mal getroffen. Seitdem begleiten wir sie auf ihrem Weg in die neue Heimat.

Nach anderthalb Monaten zu viert in einem Zwei-Zimmer-Appartment zieht Alina Bilanz - auch mit etwas Hoffnung: "Zuerst war es schwer für uns. Jetzt leben wir quasi normal hier. Wir haben Freunde gefunden." In ihrem Blick bleibt die Sehnsucht nach Frieden und ihrer Heimat.

Über dieses Thema berichten wir am 11.04.2022 im WDR Fernsehen in der Lokalzeit Münsterland um 19.30 Uhr.