Überschlagene Beine mit Higheels im Rotlicht

OWLs einzige Prostituiertenberatung kann weiterarbeiten

Stand: 18.05.2022, 14:10 Uhr

Bei Theodora in Herford finden Sexarbeiterinnen aus ganz Ostwestfalen-Lippe soziale und rechtliche Unterstützung. Doch weil die EU-Förderung ab Juli endet, müssen jetzt die Kommunen das Projekt stemmen.

Von Steven Hartig

Der Sozial- und Gesundheitsausschuss im Kreis Gütersloh berät am Mittwoch (18.05.2022) über eine weitere Finanzierung der Beratungsprojekte Theodora und Nadeschda. Denn für Theodora, die einzige Beratungsstelle für Prostituierte in Ostwestfalen-Lippe, endet ab Juli 2022 die EU-Förderung.

Seit elf Jahren berät Theodora Sexarbeiterinnen in ganz OWL. Auf über 270 Frauen sind sie im vergangenen Jahr aktiv zugegangen. Die Hälfte davon wurde anschließend auch psychosozial und rechtlich begleitet.

Selbstbestimmt leben

Behördengänge, Gesundheitsvorsorge, Wohnungssuche – unter anderem dabei helfen die drei Mitarbeitenden von Theodora. Die Frauen sollen ein selbstbestimmtes und sicheres Leben führen können, so das Ziel.

Auch beim Ausstieg aus der Prostitution helfen die Beratenden. Im vergangenen Jahr haben 50 Frauen im Zusammenhang mit der Beratung ihre Sexarbeit beendet, 36 weitere haben diesen Wunsch geäußert.

Finanzierung vorerst bis Ende 2025 gesichert

Am 30. Juni 2022 endet allerdings die Förderung durch den Europäischen Hilfsfonds. Die sechs OWL-Kreise und die Stadt Bielefeld selbst haben bisher nur fünf Prozent der Kosten getragen. Künftig wollen sie das Projekt alleine stemmen.

"Wir haben unter Beweis gestellt, dass eine Beratungsstelle wie Theodora gebraucht wird", sagt Birgit Reiche, Leitende Pfarrerin und Geschäftsführerin der Evangelischen Frauenhilfe Westfalen, die Trägerin der Prostituiertenberatung ist. Reiche hatte Theodora vor elf Jahren ins Leben gerufen.

Nicht alle Sexarbeiterinnen bräuchten so ein Angebot, sagt sie. Es gebe aber "viele, vor allem migrantische Sexarbeiterinnen, die deutlich Unterstützung brauchen und auch gerne in Anspruch nehmen, um ihre Rechte und Pflichten wahrnehmen zu können."

Theodora bittet um Spendengelder

Eine kommunale Finanzierung erleichtere auch die Beratung, erklärt Reiche. So hätten es die Regeln des Europäischen Hilfsfonds nicht erlaubt, die Frauen zu Sozialleistungen des Jobcenters zu beraten.

Für Theodora und die Beratungsstelle Nadeschda, die sich um Opfer von Menschenhandel kümmert und eng mit der Prostituiertenberatung kooperiert, wollen die Kommunen gemeinsam ab 2023 jährlich insgesamt 300.000 Euro aus den eigenen Haushalten zur Verfügung stellen.

Beantragt hatte die Evangelische Frauenhilfe Westfalen ursprünglich 345.000 Euro. Spendengelder sollen diese Lücke füllen, damit die Beratenden künftig auch auf Instagram und TikTok ansprechbar sind.

Kostenaufteilung nach Bevölkerungszahl und Inanspruchnahme

Die Kommunen in OWL teilen sich für das zweite Halbjahr 2022 die Projektkosten entsprechend ihrer Bevölkerungszahl. Ab 2023 soll ein Viertel der Kosten zusätzlich danach aufgeteilt werden, aus welchen Kreisen besonders viele Sexarbeiterinnen die Beratung in Anspruch nehmen. Für den Kreis Gütersloh ergibt das zum Beispiel eine jährliche Höchstbeteiligung von 50.000 Euro.