Missbrauchsfälle von Münster: Erster Prozess

Stand: 03.11.2020, 20:00 Uhr

Im Missbrauchskomplex von Münster hat am Dienstag der erste Prozess begonnen. Noch vor dem Hauptangeklagten Adrian V. muss sich ein Mann aus Schleswig-Holstein verantworten.

Der 53-Jährige aus Norderstedt soll im Sommer 2019 einen damals neunjährigen Jungen in einer Wohnung in Münster missbraucht haben. Für den Prozess sind fünf Sitzungstage vorgesehen.

Öffentlichkeit ausgeschlossen

Zum Prozessauftakt wurde die Öffentlichkeit aus Gründen des Opferschutzes schon nach fünf Minuten ausgeschlossen. Nach dem Verlesen der Anklage habe der Angeklagte eine Aussage gemacht, so ein Gerichtssprecher.

Vorwürfe vor Prozessbeginn eingeräumt

Vor Prozessbeginn hatte der Mann die Vorwürfe laut Staatsanwaltschaft eingeräumt und auch Angaben zu weiteren Beschuldigten aus mehreren Bundesländern in dem Gesamtkomplex gemacht.

Am nächsten Prozesstag soll eine Vernehmungsbeamtin gehört werden, die das Opfer befragt hatte. Der Junge selbst soll nach dem aktuellen Stand nicht selbst aussagen. Zu dem Termin soll auch ein psychiatrischer Gutachter Auskunft geben.

Mammutprozess am Landgericht Münster

 Bei den Ermittlungen nach schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern steht ein Polizeibeamter vor der Gartenlaube, wo der vermutliche Haupttäter Teile seiner Server-Anlage unterbrachte (06.06.2020)

Eine Gartenlaube in Münster war ein Haupttatort

Der Fall ist nur eine von Dutzenden Gewalttaten, die der Junge über sich ergehen lassen musste, die meisten davon sollen in einer Gartenlaube im Norden von Münster geschehen sein. Haupttäter soll der Lebensgefährte seiner Mutter sein, der 27-jährige Adrian V. Er muss sich von Mitte November an vor dem Landgericht Münster verantworten.

Sieben weitere Personen sind ebenfalls wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Beihilfe angeklagt. Ein Mammutprozess, den das Landgericht Münster mit sechs Richtern und vier Schöffen angeht.

Weitere Anklage erhoben

Die Anfang Juni bekannt gewordenen Ermittlungen brachten eine ganze Reihe von Beschuldigten in mehreren Bundesländern ans Licht - und mehrere mutmaßliche Opfer, zum Teil die eigenen Kinder der Tatverdächtigen. Allein nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Münster sitzen acht Männer in Untersuchungshaft. Mehrere weitere Verfahren liegen bei anderen Ermittlungsbehörden.

Dreh- und Angelpunkt für die Ermittler ist ein 27-Jähriger aus Münster. Der IT-Techniker soll den ihm anvertrauten Sohn seiner langjährigen Lebensgefährtin immer wieder schwer sexuell missbraucht und ihn anderen Männern zur Verfügung gestellt haben.

Ab dem 12. November sitzt er deswegen mit drei weiteren Männern aus Hannover, Staufenberg in Hessen und Schorfheide in Brandenburg sowie mit seiner wegen Beihilfe beschuldigten Mutter auf der Anklagebank.

Anklage: Kinder immer wieder vergewaltigt

Polizeibeamte in einer Kleingartenanlage beobachten den Abriss einer Gartenlaube

Die Gartenlaube wurde inzwischen abgerissen

In diesem wohl größten Prozess des Komplexes geht es vor allem um die Geschehnisse in der Gartenlaube: Über Tage hinweg sollen die vier Männer sowohl den Ziehsohn des Hauptangeklagten als auch den damals fünf Jahre alten Sohn des angeklagten Mannes aus Hessen betäubt und immer wieder vergewaltigt haben.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Hauptangeklagte den Jungen zudem in anderen Fällen Männern überlassen haben - auch dem ab Dienstag vor dem Landgericht stehenden Mann aus Schleswig-Holstein.