Lennestädter helfen in Ukraine-Kriegsgebieten

Stand: 26.10.2022, 12:06 Uhr

Matthäus Wanzek, Sabine Schöpf, Tamara Weber und Simon Meier sind aus der Ukraine zurück. Zehn Tage waren die vier aus dem sauerländischen Lennestadt in der Region rund um Charkiw unterwegs.

WDR:  Warum fahren Sie mitten rein in den Krieg? Vier Privatpersonen aus Lennestadt, die zu keiner Hilfsorganisation gehören?

Matthäus Wanzek: Wir haben uns rangetastet. Unsere erste Tour mit Hilfsgütern führte nur bis zur Grenze. Die zweite Tour dann schon nach Lemberg. Und die dritte und vierte Tour jetzt eben nach Charkiw und in Dörfer in die Nähe der Front.

Tamara Weber: Das hat sich von Anfang an vom Bauchgefühl für mich total richtig angefühlt. Ich habe mir gesagt, da können sie dich jetzt wirklich gebrauchen.

WDR: Sie hatten keine Angst?

Matthäus Wanzek undTamara Weber beim Lebensmittel verteilen

Tamara Weber: Einmal hatte ich Angst. Da wollte ich draussen rauchen. Es war dunkel und da hat man mich zurückgepfiffen, weil der Lichtschein der Zigarette uns verraten hätte. Da hätten die Russen vielleicht geschossen.

Matthäus Wanzek: Und manchmal haben wir ja auch Soldaten dabei, die auf uns aufpassen.

WDR: Sie bringen Hilfsgüter zu den Menschen in Charkiw und in die Dörfer der Umgebung. Sie sehen die totale Zerstörung. Wie können Sie das ertragen?

Matthäus Wanzek: Wir versuchen das auszublenden in dem Moment wo wir da sind. Das berührt uns sehr, aber wir sind in Action, müssen schnell hin und wieder weg. Wir blenden das aus. Sonst würden wir den ganzen Tag nur weinen.

WDR: Wie erleben Sie die Menschen vor Ort?

Matthäus Wanzek: Da stehen dann hunderte an der Straße und warten auf uns. Denen fehlt das Grundlegendste zum Leben. Das motiviert uns zu helfen.

Sabine Schöpf: Manche freuen sich, dass sie uns aus Deutschland sehen. Sie freuen sich, dass sie nicht vergessen werden. Das ist ihre große Angst: Dass wir sie und ihr Land vergessen.

Tamara Weber: Man sieht in den Augen, dass da Dinge passiert sind, die wir uns nicht vorstellen können. Und die stehen da und akzeptieren unsere Hilfe. Manchmal singen sie auch mit uns und lachen. Das gibt Kraft – auf beiden Seiten.

WDR: Was bringen Sie den Menschen?

Tamara Weber: Lebensmittel, Kleidung, Zahnbürsten, Seife. Malstifte für die Kinder. Aber auch einen Ofen für eine alte Dame, die in einem zerbombten Hochhaus lebt. Oder einen Generator.

Sabine Schöpf: Und selbstgenähte Lavendelsäckchen mit einem Segensspruch auf ukrainisch. Die haben manchmal ein Lächeln gezaubert. Das ist auch wichtig.

WDR: Wie geht es weiter?

Sabine Schöpf: Wir haben zuverlässige Partner, die unsere Hilfsgüter nach Charkiw bringen. Denn wir werden dieses Jahr nicht mehr fahren.

WDR: Halten Sie das aus?

Sabine Schöpf: Ich muss das weitermachen. Wir alle müssen das weitermachen, können nicht aufhören. Und eine Sache liegt mir besonders am Herzen, ein Kinderkrankenhaus in Charkiw.

WDR: Wie ist die Situation dort?

Sabine Schöpf: Da liegen 60 Kinder – zum Teil schwer verletzt. Die Ärzte können nur bedingt helfen, weil es an allem fehlt. Da zu helfen ist mein wichtigstes Ziel.

Das Interview führte Katja Brinkhoff.

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