Zähe Korruptionsermittlungen in Bocholt

Stand: 30.03.2022, 20:01 Uhr

Im März 2021 haben Polizei und Staatsanwaltschaft 1.500 Akten und 16 Terrabyte Daten in Bocholt beschlagnahmt. Es geht um den Verdacht der Untreue und Korruption.

Von Hartmut Vollmari

Konkret geht es um Verflechtungen zwischen der Stadt, ihrer Tochterfirma EWIBO, den Vereinen Jusina e.V.LiA e.V. und der PSA GmbH, die alle jahrelang miteinander Geschäfte machten.

Jahrelange Ermittlungen noch ohne Ergebnis 

Die Ermittlungen beginnen Anfang 2019 mit einer anonymen Anzeige. Zwei Jahre ermitteln die zuständige Polizei Münster und die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bielefeld im Verborgenen. Im März 2021 beschlagnahmen die Ermittler in Bocholt anderthalb Lkw-Ladungen Aktenordner und 16 Terrabyte Daten bei der EWIBO und den übrigen Beteiligten. Die Staatsanwaltschaft bestätigt lediglich Ermittlungen, "unter anderem gegen ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Stadt Bocholt wegen des Verdachts der Untreue und Bestechlichkeit."

Fall Bocholt typisch für Probleme bei der Polizei? 

Im obersten Stock eines Bocholter Geschäftshauses lagern die Akten. Drei Personen des Rechnungsprüfungsamtes der Stadt sind von der Staatsanwaltschaft zur Unterstützung der Ermittler verpflichtet worden. Die Beamten der zuständigen Kripo Münster müssen abertausende Seiten sichten. Für Oliver Huth, den NRW-Landesvorsitzenden des Bundes der Kriminalbeamten, zeigt sich am Fall Bocholt ein grundsätzliches Problem.

"Die Kriminalpolizei Münster leidet unter den ganz normalen Voraussetzungen unter denen alle Behörden in NRW leiden. Und das ist eine nicht sachgerecht ausgestattete Kriminalpolizei." Oliver Huth, Bund der Kriminalbeamten NRW

Wie viele Polizeibeamte genau an dem Bocholter Fall arbeiten, teilt das Landeskriminalamt nicht mit. "Aus ermittlungstaktischen Gründen", wie es heißt.

Politische Dimension der Polizeiarbeit 

Für den Kriminologen Prof. Tobias Singelnstein von der Ruhr-Uni Bochum hat Polizeiarbeit auch eine politische Dimension: "Wenn man sich mal das Tableau anguckt, welche Personalstärke in einem Dezernat ist, dann kann man daran ganz gut ablesen, wie die Schwerpunktsetzungen unter einer jeweiligen Landesregierung oder Polizeiführung sind."

Ungeduld wegen langer Ermittlung 

In Bocholt wird seit den Polizei-Durchsuchungen im vergangenen März wild spekuliert. Im Bocholter Stadtrat wurden jahrelang Geschäfte des Firmen- und Vereinskonstrukts abgenickt. Ratsfrau Bärbel Sauer von der Wählergemeinschaft "Soziale Liste" hat auf ihre kritischen Fragen damals kaum Antworten bekommen. Umso ungeduldiger blickt sie jetzt auf die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft: "Dass so etwas nicht schneller geahndet wird, um eben die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, kann ich nicht verstehen. Also da bin ich echt sprachlos, für mich ist das ein unhaltbarer Zustand."

Ob und wer schuldig ist oder nicht, müssen die Ermittlungen noch zeigen. Nicht nur die Ratsfrau wünscht sich, dass alles schneller geht, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger - und die Kriminalpolizei.