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Bundesweiter Fall von Kindesmissbrauch aufgedeckt . Aktuelle Stunde. 06.06.2020. UT. Verfügbar bis 06.06.2021. WDR. Von Detlef Proges.
Elf Festnahmen nach Kindesmissbrauch in Münster
- Schwerer Kindesmissbrauch in einer Gartenlaube in Münster
- Missbrauchsopfer sind fünf, zehn und zwölf Jahre alt
- Mutter des Haupttatverdächtigen arbeitet in einer Kita
- Videomaterial übers Darknet verbreitet
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Fassungslosigkeit in den Gesichtern der Ermittler: Was sie bei der Sichtung kinderpornografischen Materials zu Tage förderten, ist auch für die erfahrenen Beamten nur schwer zu ertragen. Sie hätten in einen Abgrund geschaut, sagte der leitende Ermittler Joachim Poll dem WDR am Samstag (06.06.2020). "Das weckt in einem Wut und Hass für diese Menschen – wenn man sie überhaupt Menschen nennen darf."
Und am Sonntag wurde ein neues erschreckendes Detail bekannt: Die Mutter des Hauptverdächtigen hat nach WDR-Informationen bis zu ihrer Festnahme als Kita-Erzieherin gearbeitet. Sie soll vom Missbrauch gewusst haben. Ermittelt wird gegen sie nach WDR-Informationen aber nicht im Zusammenhang mit ihrer Kita-Tätigkeit.
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Der Hauptbeschuldigte ist ein 27-Jähriger aus Münster. Bei den sechs weiteren, gegen die Haftbefehle erlassen wurden, handele es sich um die 45-jährige Mutter aus Münster sowie um Männer aus Staufenberg bei Gießen, 30 Jahre alt, Hannover, 35, Schorfheide in Brandenburg, 42, Kassel, 43, und Köln, 41. Vier Tatverdächtige sind wieder auf freiem Fuß.
Schwerer sexueller Missbrauch
Drei Kinder identifizierten die Ermittler bisher als Opfer - fünf, zehn und zwölf Jahre alt. Sie wurden in einer Gartenlaube in Münster-Kinderhaus schwer sexuell missbraucht. "Das findet mitten unter uns statt. Jeden Tag mehrfach", erklärt Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter.
In dem Missbrauchsfall wurden nach nur einem dreieinhalbwöchigen Ermittlungsverfahren in den vergangenen Tagen elf Tatverdächtige festgenommen. Die Taten sollen in der Zeit von November 2018 bis Mai 2020 begangen worden sein.
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Kinder wurden offenbar betäubt
Die Taten soll der Münsteraner mit Videos und Fotos dokumentiert und über das so genannte Darknet angeboten haben, so die Ermittler. Auf einem sichergestellten Film seien sexuelle Handlungen schwerster Art zu sehen gewesen.

Joachim Poll leitet die Ermittlungen
Vier Männer hätten sich wechselseitig an den Jungen "auf das Schlimmste" vergangen. "Sie können sich das nicht vorstellen", sagte der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll. Auf den Bildern aus der Gartenlaube waren ein 5-jähriger und ein 10-jähriger zu erkennen, die von den Männern über Stunden schwer sexuell missbraucht wurden. Die Kinder seien dabei offenbar betäubt worden, so die Ermittler.
Kinder in Obhut genommen
Bei den Opfern handelt es sich laut den Ermittlern um den zehnjährigen Sohn der Lebensgefährtin des Münsteraners und um den fünfjährigen Sohn des Beschuldigten aus Staufenberg.
Der Zwölfjährige war der Neffe eines Beschuldigten aus Kassel. Ihn erkannten die Ermittler auch auf sichergestelltem Videomaterial, das den Zehnjährigen zusammen mit dem Zwölfjährigen zeigt. Alle drei Kinder seien inzwischen in der Obhut der Jugendämter und würden betreut.
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Tatort war eine Gartenlaube
Der Haupttatort, eine Gartenlaube im Stadtteil Kinderhaus, sei von außen gesichert gewesen mit Überwachungskameras, innen waren IT-Technik und Kameras verbaut. Das Innere der Laube wollte die Polizei nicht zeigen.

Die Gartenlaube war mit Kameras überwacht
Die Gartenlaube gehört der Mutter des Hauptbeschuldigten. Die Frau wird beschuldigt, Männern beim schweren sexuellen Missbrauch von kleinen Jungen geholfen zu haben.
Sie soll dem Sohn ihre Laube zur Verfügung gestellt und gewusst haben, was dort passierte. Der Missbrauch soll sich auch im Auto des Beschuldigten abgespielt haben.
Reporterin Andrea Hansen berichtet aus Münster zu den Missbrauchsfällen. Aktuelle Stunde. 06.06.2020. UT. Verfügbar bis 06.06.2021. WDR.
Keller war hochprofessionell ausgestattet
In einem Keller in Münster habe man einen komplett eingerichteten, klimatisierten Serverraum gefunden. Diesen ordnen die Ermittler auch dem Hauptverdächtigen zu.

In diesem Keller waren alle Aufnahmen gespeichert
Das Speichervolumen der hier sichergestellten Daten liege nach ersten Erkenntnissen bei über 500 Terabyte. Die Datenträger seien hochprofessionell verschlüsselt worden.
Bereits im Jahr 2018 sind die Ermittler auf den Fall aufmerksam geworden. Eine damals noch unbekannte Person hatte über das Internet Dateien mit kinderpornografischem Material angeboten. Ein Jahr später geriet der jetzt Hauptverdächtige ins Visier der Ermittler.
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Noch nicht alle Daten entschlüsselt
Über eine IP-Adresse führte die Spur zu einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Coesfeld. In diesem Betrieb war der 27-Jährige aus Münster für die IT-Technik tätig. Daraufhin durchsuchte die Polizei die Wohnung des Münsteraners und stellte dabei umfangreiche Mengen an Datenträgern sicher.
Den Ermittlern sei es bis heute nicht gelungen, alle Daten zu entschlüsseln. Poll sprach von aufwendigen, kniffligen und mit viel Technik verbundenen Ermittlungen. So habe es ein Jahr gedauert, einen der sicher gestellten Laptops zu entschlüsseln.
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Münsteraner war einschlägig vorbestraft
Der Hauptbeschuldigte wurde bereits am 14.05.2020 verhaftet und ist strafrechtlich bekannt. Er wurde zwei Mal verurteilt, und zwar wegen Verbreitung von Kinderpornografie im Internet. Wegen seiner pädophilen Neigungen wurde ihm eine Therapie auferlegt. Die Urteile wurden jeweils zur Bewährung ausgesprochen.
Was die Ermittler besonders bestürzte, ist, dass der Münsteraner seinen eigenen Stiefsohn zum Missbrauch angeboten haben soll. "Er ist verkauft worden von demjenigen, der eigentlich behüten sollte", sagte Poll.

Die Ermittler stehen vor einer schweren Aufgabe
Das bisherige Ermittlungsergebnis nach dreieinhalb Wochen sei wohl nur die Spitze des Eisbergs, hieß es von Münsters Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt. Jetzt komme auf die Ermittler die belastende Aufgabe zu, Datei für Datei auf den sichergestellten Festplatten zu entschlüsseln, zu sichten und den Fall nach und nach aufzuklären.
Opferfamilie war dem Jugendamt bekannt
Das Jugendamt der Stadt Münster hatte Kontakt zu der Familie von einem der Opfer. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, "weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war", teilte die Stadt am Samstag mit.
In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt. 2015 habe das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen.
Oberbürgermeister Markus Lewe reagierte bestürzt auf den Missbrauchsfall: "Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war", teilte er mit.
Erneuter Fall in Nordrhein-Westfalen
Nordrhein-Westfalen war seit Anfang 2019 wegen mehrerer Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern in die Schlagzeilen geraten. Auf einem Campingplatz in Lügde im Kreis Lippe hatten mehrere Männer Kinder hundertfach über Jahre schwer sexuell missbraucht.
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Der Fall Lügde: Jugendhilfe ohne Standards. Westpol . 09.02.2020. UT. DGS. Verfügbar bis 09.02.2021. WDR.
Stand: 07.06.2020, 13:22