Mutter und Sohn aus Lippe kehren aus der Illegalität zurück

Stand: 21.11.2022, 18:59 Uhr

Fast elf Monate war eine Mutter aus Lippe mit ihrem Sohn abgetaucht. Der Grund: Verdacht auf Kindesmissbrauch durch den Vater. Eine Entscheidung des OLG Hamm sorgte jetzt für ein Ende der Flucht.

Von Oliver Köhler

Die Mutter aus Lippe hat einen schrecklichen Verdacht: Der Vater ihres mittlerweile siebenjährigen Sohnes soll ihm sexualisierte Gewalt angetan haben. Weil der Vater aber zu diesem Zeitpunkt das Aufenthaltsbestimmungsrecht über den gemeinsamen Sohn hatte, entschloss sie sich, Anfang Januar 2022 mit dem Kind abzutauchen.

Fast elf Monate auf der Flucht

Bis Anfang November 2022 reiste die 41-Jährige mit ihrem Sohn kreuz und quer durch Deutschland. Beide schlüpften bei Bekannten und Unterstützern unter – immer in der Angst vor Entdeckung. So sei beispielsweise der Kindesvater in einem Ort völlig überraschend aufgetaucht und habe nach den beiden gesucht, berichtet die Mutter im Gespräch mit dem WDR.

Mittlerweile haben weder der Vater noch die Mutter das Sorgerecht für den Jungen, sondern das Jugendamt Lippe. Die Verantwortlichen dort wollen den Jungen in einer Pflegefamilie unterbringen. Der Rechtsstreit zwischen dem Jugendamt, der Mutter und dem Vater um die Verantwortlichkeit für den Jungen läuft seit mehreren Jahren.

Sohn darf erst einmal bei seiner Mutter bleiben

Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm eine Entscheidung getroffen und für ein Ende der Flucht gesorgt. Die Familienrichter machten zwar deutlich, dass das Handeln der Mutter rechtswidrig war und sie das Wohl des Jungen durch ihr Abtauchen gefährdete. Trotzdem erlaubten sie, dass der Siebenjährige erst einmal bei ihr bleiben darf.

Durch die mehrmonatige Flucht sei es zwischen dem Sohn und dem Vater zu einer Entfremdung gekommen. Der Junge lehne seinen Vater mittlerweile komplett ab. Dies habe er selbst bei einer Anhörung im Gericht gesagt, teilte das OLG Hamm dem WDR mit.

Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt. Ein Richter und zwei Richterinnen hätten festgestellt, dass es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte für sexualisierte Gewalt gebe.

Ermittlungen gegen Vater laufen weiter

Die Ermittlungen gegen den Kindesvater sind allerdings noch nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Detmold teilte dem WDR mit, dass noch Zeugen vernommen werden müssten, unter anderem der Junge selbst. Wegen der Flucht mit seiner Mutter sei das bisher nicht möglich gewesen.

Unterstützer der Mutter äußerten sich jedoch kritisch zum Vorgehen der Staatsanwaltschaft. So sei beispielsweise eine Hausdurchsuchung beim Vater unterblieben, bei der mögliche Beweise hätten gesichert werden können. Auch seien DNA-Spuren, die am Körper des Jungen vor dreieinhalb Jahren gesichert worden waren, nie ausgewertet worden und mittlerweile vernichtet.

Die Staatsanwaltschaft Detmold hat sich auf Anfrage des WDR bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Auch der Kindesvater ließ schriftliche Anfragen des WDR unbeantwortet.

Rückkehr der Mutter mit Auflagen

Seit Anfang November wohnen Mutter und Sohn wieder in ihrer alten Wohnung in einem kleinen Ort in Lippe. Das OLG Hamm hat der 41-Jährigen jedoch Auflagen gemacht. Sie muss für die Behörden dort erreichbar sein, ihr Sohn muss wieder zur Schule und beide müssen sich dem weiteren Verfahren stellen.

Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft des Jungen steht noch aus. Das zuständige Familiengericht am Amtsgericht Detmold hat ein familienpsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben. Bis Ende Februar 2023 soll es vorliegen. Erst dann wird ein Gerichtstermin zur Entscheidung in dem Streit um das Sorgerecht anberaumt.

Über dieses Thema haben wir am 17. November 2022 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit OWL, 19:30 Uhr