Prozess Gruppe S.: „Für dumm verkauft

Stand: 24.06.2022, 18:53 Uhr

Beim Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart um die mutmaßliche Terrorgruppe S. wird die Arbeit der Polizei zunehmend in Frage gestellt. Auch den Bundestag erreicht das Thema.

Mehrere Verteidiger gehen offenbar davon aus, dass Verbindungsleute das Geschehen rund um das Treffen der Angeklagten im Februar 2020 in Minden maßgeblich mit beeinflusst haben könnten. Auch der Bundestag beschäftigt sich jetzt mit der Polizeiarbeit rund um die Gruppe S.

Scharfe Kritik an Polizeizeugen

Er fühle sich für dumm verkauft, fasste Verteidiger Daniel Sprafke (Karlsruhe) die Aussagen eines Polizeibeamten zusammen, der am Donnerstag am Oberlandesgericht als Zeuge aussagt. Sein Kollege Heiko Hofstätter (Heidelberg) zeigte sich überzeugt, nicht die Wahrheit gehört zu haben.

Andere Anwälte forderten, dem Polizisten ein Ordnungsgeld zu verpassen und seine Aussagen zu vereidigen – beide Anträge wurden abgelehnt. Was die Verteidiger so erzürnte: der Zeuge konnte viele ihrer Fragen nicht beantworten. Er berief sich auf fehlende Erinnerung oder Schweigepflicht.

Wie viele V-Männer gab es?

Hintergrund: immer häufiger tauchen rund um den Prozess die Namen möglicher Verbindungsleute von Polizei oder Verfassungsschutz auf. Schon vor Wochen war durch die Zeugenaussage eines anderen LKA-Beamten Thorsten K. aus Bad Bramstedt bei Hamburg als möglicher V-Mann ins Spiel gebracht worden – was die Fraktion der Linken jetzt zu einer Kleinen Anfrage im Bundestag veranlasste. Kernfrage: welche Rolle spielte K. bei den Ermittlungen rund um die Gruppe S.?

Der 60-Jährige hatte nachweislich Kontakt zu Angeklagten gehabt, wollte eigentlich auch zum Treffen in Minden anreisen, sagte dann aber kurzfristig und überraschend ab.

Vorwurf: Planung von Bombenanschlägen

Während des jüngsten Prozesstages konfrontierten Verteidiger den Zeugen mit zwei weitere Namen angeblicher V-Leute: Ralf N. aus Düsseldorf, von der so genannten Bruderschaft Deutschland und Mario Sch. aus Schönberg an der Elbe – er hatte einem der Angeklagten eine Waffe verkauft. Der Polizeibeamte schwieg dazu.

Zwölf Männern aus sechs Bundesländern wird vorgeworfen, bei einem Treffen in Minden im Februar 2020, Bombenanschläge in mehreren deutschen Städten geplant zu haben. Der Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart läuft seit April 2021.

Über dieses Thema berichtet die Lokalzeit am 27.06.2022 im Radio auf WDR 2.