Collage: Mann und Frau stehen vor überdimensionalen Tablettenröhrchen

Gendermedizin an der Uni Bielefeld: Eine Frage des Geschlechts

Stand: 13.06.2022, 14:29 Uhr

An der Uni Bielefeld gibt es die bundesweit erste Professur für geschlechtersensible Medizin. Es geht darum, Unterschiede zwischen Frauen und Männern in der Medizin besser zu berücksichtigen.

Von Julia Schlöpker

Übelkeit, Schwindel, Atemnot - das sind Anzeichen eines Herzinfarktes bei Frauen. Über Schmerzen hinter dem Brustbein klagen hingegen häufig Männer. Dass wir je nach Geschlecht unterschiedlich ticken, wenn wir krank sind, kommt langsam in der Praxis an, dank der sogenannten Gendermedizin. Die untersucht, warum Frauen bei derselben Erkrankung andere Beschwerden haben als Männer.

Porträtfoto von Sabine Oertelt-Prigione

Sabine Oertelt-Prigione übernimmt an der Uni Bielefeld die Professur zu dem Thema

"Das Interesse für geschlechtersensible Medizin ist größer geworden, aber es gibt noch viel zu tun", meint Sabine Oertelt-Prigione. Die neue medizinische Fakultät der Universität Bielefeld hat sie von der Charité Berlin geholt und die bundesweit erste Professur für dieses Thema an einer Hochschule eingerichtet. Kein Zufall: Seit Jahrzehnten wird in Bielefeld Geschlechterforschung großgeschrieben.

Geschlechtsunterschiede stärker berücksichtigen

Sabine Oertelt-Prigione will in OWL ein Netzwerk aufbauen, gendersspezifische Medizin stärker in den Praxisalltag integrieren und den Ärztenachwuchs während des Studiums dafür gewinnen. Auch die Bielefelder Hausärztin Cornelia Buldmann sieht bei dem Thema in den Praxen Nachholbedarf.

Beispiel Depression: Während Frauen niedergeschlagen und antriebslos sind, ziehen sich Männer womöglich zurück, greifen zu Drogen, reagieren aggressiv. Ein anderes Problem sind Erkrankungen, die vorwiegend einem Geschlecht zugeschrieben werden. So gilt beispielsweise Osteoporose als typische Frauenkrankheit. Dabei schätzt Sabine Oertelt-Prigione, dass in Deutschland 30 bis 40 Prozent der Männer über 50 Jahre betroffen sind.

Gefährliche Gleichbehandlung: Warum wir geschlechtsspezifische Medizin brauchen

Quarks 08.06.2021 43:49 Min. UT DGS Verfügbar bis 08.06.2026 WDR

Dosis entscheidend - mehr Nebenwirkungen für Frauen

Immerhin: Fortschritte macht die Medikamenten-Forschung. War es bis in die 1990er Jahre üblich, dass nur Männer Tabletten und andere Medikamente getestet haben, werden Frauen längst in Studien eingebunden. "Allerdings nicht in dem Maß, wie es sinnvoll wäre", kritisiert Oertelt-Prigione. Dabei reagieren sie auf eine Dosis oft stärker, leiden unter mehr Nebenwirkungen.

Noch liegt vieles im Verborgenen. Die neue Arbeitsgruppe in der Uni Bielefeld um Sabine Oertelt-Prigone will vor allem eines - geschlechtersensible Medizin sichtbar machen.

Über dieses Thema berichten wir am 17. Juni 2022 im WDR Fernsehen: Lokalzeit OWL, 19:30 Uhr.