Die Bielefelder Männerberatung "man-o-mann" betreut die Schutzwohnung in der Stadt. Seit über 20 Jahren arbeitet Björn Süfke für die Beratung. Er ist Psychologe und hilft Männern mit ihren Problemen. Auch mit Männern, die Opfer von Gewalt wurden, spricht er regelmäßig. Sich Hilfe zu holen, das falle vielen Männern auch heute noch schwer.
Oft werde die eigene Identität angezweifelt: "Wenn Sie jetzt noch von Gewalt betroffen sind, wenn Sie Opfer sind – das ist heute das Schimpfwort Nummer eins auf den Schulhöfen: Du Opfer! Das ist die absolute Absprechung der eigenen Geschlechtsidentität", sagt Süfke.
Ein Fünftel aller Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Männer
Seit zwei Jahren betreut sein Team, zusammen mit einem Träger in Augsburg, auch ein Hilfetelefon für gewaltbetroffene Männer aus ganz Deutschland. Im Schnitt gehen bei ihnen 900 Anrufe pro Monat ein. Bundesweit machen Männer laut Statistik des Bundeskriminalamts etwa ein Fünftel aller Betroffenen von Partnerschaftsgewalt aus.
Auch in Bielefeld gibt es diese Fälle: Hier waren es zuletzt pro Jahr etwa 170 Männer, die Opfer häuslicher Gewalt wurden – vom Bruder verprügelt, von der Stiefmutter gedemütigt oder von der Ehefrau gequält. Ein wichtiges Thema auch für die Polizei. Über die neue Schutzwohnung für Männer freut man sich hier.
Weiter sagt sie: "Das in die Köpfe zu kriegen und aufzudröseln, wie überhaupt die Mechanismen funktionieren, das leistet die Polizei als Strafverfolgungsbehörde nicht. Da ist es wichtig, Hilfen ranzubringen. In Bielefeld haben wir dafür ein hervorragendes Netzwerk."
Männerhäuser gibt es erst seit zwei Jahren in NRW
Frauenhäuser gibt es seit den 70ern in NRW. Das erste Männerhaus hat aber erst vor zwei Jahren eröffnet. Bisher gibt es vier Standorte in NRW, – in Köln, Düsseldorf, Rheydt und Warendorf. Die zwei Wohnplätze in Bielefeld sind die ersten in Ostwestfalen-Lippe. Zwei weitere Plätze sind nach Angaben der Männerberatung bereits geplant.
Dass es die Männerschutzwohnung jetzt endlich gibt, darüber ist Männerberater Björn Süfke erleichtert. "Wenn es für ein Thema kein Angebot gibt, dann kommt auch keine Nachfrage, weil die Männer ja gar nicht wissen, dass sie sich an uns wenden könnten mit dieser Thematik."
In zwanzig Jahren habe er in seiner offenen Telefonsprechstunde deshalb kaum Männer gehabt, die angerufen haben, weil sie akut von Gewalt bedroht waren. "Die wenigen Fälle, die wir hatten, da muss ich ganz ehrlich sagen: Denen konnten wir bisher nicht helfen." Zumindest nicht mit einer Notunterkunft.
Eine Perspektive für die Zeit danach entwickeln
Jetzt können Björn Süfke und sein Team auch diesen Männern konkret helfen. In der neuen Schutzwohnung können Männer, die akute Gewalt erleben, bis zu drei Monate lang Zuflucht finden. Das Ziel: Die psychosoziale Lage der Männer stabilisieren und gemeinsam eine Perspektive entwickeln für die Zeit nach dem Aufenthalt.
Finanziert ist das Projekt vorerst bis Ende 2025 vom NRW-Heimatministerium, die Männer zahlen nur einen kleinen Beitrag. Erste Gespräche gebe es schon. Für die betroffenen Männer möglicherweise der erste Schritt in ein Leben ohne Gewalt.
Über dieses Thema berichtete die Lokalzeit OWL am 08.06.22 um 7:31 Uhr auf WDR2 und in der Lokalzeit OWL um 19:30 Uhr im WDR-Fernsehen.