Krake mit Binärcode auf Theaterbühne. Der Big Brother Award zeichnet zweifelhafte Projekte aus, die dem Datenschutz schaden.

Big Brother Award 2022 für Datenkraken

Stand: 29.04.2022, 18:08 Uhr

Die Big Brother Awards gehen dieses Jahr an Lieferando, Klarna und drei große Behörden. Dabei geht es um die widerrechtliche Nutzung von personenbezogenen Daten.

Zum 22. Mal hat der Datenschutzverein Digitalcourage am Abend in Bielefeld die Big Brother Awards verliehen. Im Fokus stehen zwei große Unternehmen.

So wird der Essenslieferdienst Lieferando kritisiert, weil er sekundengenau Daten ihrer „Rider“ erfasst. Und das mit einer weitgreifenden App, kritisiert Laudator und Arbeitsrechtler Professor Peter Wedde.

Sie erfasst den aktuellen Standort und speichert das ab. Dafür gibt es keine Rechtfertigung, das braucht man auch nicht. Lieferando sammelt die Daten für Zwecke, die wir nicht kennen.“ Das sei eine „Totalkontrolle der Beschäftigten“.

Lieferando und Klarna erhalten Negativpreis

Mitarbeiter bei Lieferando

Lieferando weist das gegenüber dem WDR zurück. Die App sei im Arbeitsablauf wichtig. Alles „entspricht den geltenden Datenschutzbestimmungen“ und sei mit dem Betriebsrat abgestimmt: „Nur wenige ausgewählte Mitarbeiter können die Orts- und Zeitdaten einsehen, nach strengen Vorgaben und Verfahren, und auch dies ohne personenbezogene Fahrer-Daten.“ Man nehme die Vorwürfe aber ernst.

Einen weiteren Negativpreis für zu viel Datensammelei erhält der schwedische Zahlungsdienstleister Klarna, weil er intransparent viele Daten erfasse, auch mit dem Zusatzangebot eines Preisvergleichsportals.

Kundinnen und Kunden werden wirklich total ausgeforscht“, meint der Datenschutzaktivist Padeluun von Digitalcourage: „Was ich einkaufe und welche Websites ich mir anschaue.“ Darüber hinaus drohe Klarna säumigen Einkäuferinnen und Einkäufern „mit richtig restriktiven und völlig überhöhten Mahngebühren“.

Big Brother Awards auch für Behörden

Außer Firmen prangert Digitalcourage aber auch Behörden an. So etwa eine Einrichtung, die Unternehmen überwachen sollte. Die irische Datenschutzbehörde erhält den Big Brother Award, weil sie Beschwerden gegen IT-Konzerne, die in Irland ihren Europasitz haben, nicht schnell genug bearbeite und das europäische Datenschutzrecht ungenügend durchsetze.

Eigentlich müssten Beschwerden unverzüglich bearbeitet werden“, sagt die Laudatorin und Digitalcourage-Gründerin Rena Tangens. Aber: „Irland findet, dass vier Jahre Bearbeitungszeit immer noch unverzüglich seien.“

Digitalcourage wisse „von 50 grenzüberschreitenden Beschwerden“, die die deutsche Datenschutzbehörde an Irland weitergeben habe, die aber nicht inhaltlich bearbeitet und abgeschlossen worden sein.

Negativpreis für Bundesdruckerei

Auch deutschen Behörden wird fehlender Datenschutz vorgeworfen. So erhält die Bundesdruckerei den Negativpreis Big Brother Award, weil sie Schulzeugnisse mit der Blockchain-Technik digitalisiert, die viel Energie verbrauche und Datenschutzmängel habe.

Rena Tangens: „Das heißt, man kann Dinge, die falsch sind, die korrigiert werden müssen oder die da gar nicht hingehören, nicht wieder loswerden. Sondern die bleiben ewig in dieser Blockchain stehen. Und das ist ein grundsätzliches Problem mit dieser Technik. Man sollte sie nicht für Dinge nutzen, wofür sie nicht gebraucht werden.

Bundeskriminalamt sieht sich zu Unrecht gewürdigt

LogoBKA, Bundeskriminalamt

Wegen Datenschutzmängeln steht auch das Bundeskriminalamt am Pranger; weil es Daten über Täter, Hinweisgeber oder Opfer ungenügend kennzeichne, moniert der ehemalige Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert.

Die Polizei ist untereinander vernetzt. Und die Vernetzung hat zur Folge, dass Daten untereinander ausgetauscht werden.“ Da müsse durch entsprechende Metadaten gewährleistet sein, dass die jeweils nutzenden Beamten wüssten, zu welchem Zweck die Personendaten verwendet werden dürften: „Und das ist nicht gewährleistet.

Das BKA entgegnet dem: „Die Polizeien des Bundes und der Länder verarbeiten personenbezogene Daten auf Grundlage der geltenden Gesetze und nach europarechtlichen Vorgaben.“ Die Begründung der Jury der Big Brother Awards könne die Behörde nicht nachvollziehen: "Der Preisverleihung wird das Bundeskriminalamt nicht beiwohnen."

Über dieses Thema berichtete die Lokalzeit OWL am 28. und 29.04.2022 im Radio.

Digitalcourage vergibt Big Brother Award

00:54 Min. Verfügbar bis 29.04.2024