Antje Vollmer gestorben – Versöhnen war ihr Thema

Stand: 16.03.2023, 13:31 Uhr

Die frühere Grünen-Politikerin Antje Vollmer ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Vollmer war unter anderem Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags.

Von Thomas Wöstmann

Antje Vollmer, 1943 im ostwestfälischen Lübbecke geboren, war dabei als die Grünen 1983 zum allerersten Mal in den deutschen Bundestag einzogen. Dabei war sie nicht einmal Mitglied der Partei. "Ich kam auf den zweiten Platz der Liste und sechs Wochen später war ich plötzlich im Bundestag, nach einem ganz kurzen Wahlkampf und konnte es wirklich nicht fassen."

Eines der bekanntesten Gesichter der Grünen in der Anfangszeit

Erst zwei Jahre später trat sie in die Partei ein, aber Vollmer galt schnell als eine der profiliertesten Persönlichkeiten bei den Grünen. "Ich habe lange gebraucht zu begreifen, dass ich plötzlich in dieser Ebene bin, die ich als Kind immer in meinem Radio gehört hatte - und ich fühlte mich vollständig überfordert."

Dialog mit RAF-Terroristen

Insgesamt sechzehn Jahre lang gehörte sie zur Fraktion, drei Jahre lang war sie deren Vorsitzende. Von 1994 bis 2005 war Vollmer Vizepräsidentin des Bundestags, geschätzt auch beim politischen Gegner. Die Theologin scheute nicht den Konflikt, 1985 ging sie auf die Terroristen der Roten Armee Fraktion zu, suchte den Dialog und wurde dafür scharf kritisiert. Auch innerhalb der eigenen Partei.

Das war die härteste Erfahrung: Man hat versucht, uns in die Nähe des Terrorismus zu bringen. Antje Vollmer

"Wir hatten gesagt, wir versuchen, einen Besuch zu machen und mit ihnen eine Diskussion anzufangen." Was danach folgte, habe sich, so Vollmer, zur Medienkampagne ausgeweitet: "Das war die härteste Erfahrung: Man hat versucht, uns in die Nähe des Terrorismus zu bringen."

Im Mai und im Juni 2020 meldete sich Antje Vollmer wieder zu Wort. Ihre eigene Partei forderte sie in einem öffentlichen Appell zum inneren Frieden und zum versöhnenden Dialog auf. Gerade auch im Umgang mit umstrittenen Mitgliedern wie Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Und in einem viel beachteten Interview warb sie vehement für weltweiten Pazifismus.

Essay zum Ukraine-Krieg

Zuletzt veröffentlichte Vollmer einen Essay Ende Februar zum Ukraine-Krieg. Darin schrieb sie: "Wirtschaftlich und politisch zahlen wir dafür einen hohen Preis." Auch die Grünen kritisierte Antje Vollmer: Der deutsche Wirtschaftsminister bemühe sich, die alten Abhängigkeiten von Russland und China durch neue Abhängigkeiten zu Staaten zu ersetzen, die keineswegs als Musterdemokratien durchgehen könnten.

Die Außenministerin sei die schrillste Trompete der neuen antagonistischen Nato-Strategie. Der Krieg verschlinge sinnlos die Milliarden, die für die Rettung des Planeten und gegen die Armut des globalen Südens dringend gebraucht würden.

Frieden, Dialog, Versöhnen – es waren die großen Themen von Antje Vollmer. Bis zuletzt lebte sie in Berlin und Bielefeld.

Über das Thema berichtet die Lokalzeit OWL am 16.03.2023.