Bordeaux-Wein aus dem Rheinland? So verändert das Klima den Weinbau

Stand: 30.08.2022, 14:59 Uhr

Während Meteorologen Rekordwerte für den Sommer 2022 vermelden, beginnt am Rhein und an der Ahr die Weinlese so früh wie noch nie. Im Weinbau ist der Klimawandel deutlich spürbar - positiv wie negativ.

Der Sommer 2022 fühlte sich nicht nur besonders heiß und trocken an - er war es auch. Das geht aus Auswertungen hervor, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) am Dienstag veröffentlichte. Die Meteorologen kommen nach den bisherigen Messungen und inklusive der Prognose bis morgen deutschlandweit auf 817 Sonnenstunden. "Demnach ist es der sonnigste Sommer, seitdem die Sonnenscheindauer aufgezeichnet wird,", sagte Andreas Friedrich vom DWD in Offenbach.

Weinlese beginnt so früh wie noch nie

Eine Auswirkung der vielen Sonnenstunden: Die Weinlese in NRW und Rheinland-Pfalz beginnt in diesem Jahr so früh wie noch nie. Zwar haben vereinzelte Winzer in den vergangenen Tagen bereits einen Teil ihrer Trauben eingeholt, gemeinhin gilt aber der Lesebeginn der großen Winzergenossenschaften, der heute stattfindet, als Startschuss.

Und Deutschland bildet da keine Ausnahme. Auch in der französischen Spitzenlage rund um Bordeaux hat die Weinlese schon begonnen. Dort passen sich die Winzer an die neuen klimatischen Bedingungen an und schneiden die Rebstöcke teilweise so, dass mehr Blätter stehen bleiben und so den Trauben Schatten bieten. Dennoch hätten viele Trauben Sonnenbrand bekommen, berichten die dortigen Winzer. Sie rechnen mit einer um 15 bis 20 Prozent geringeren Ernte.

Für die Ertragszahlen in den deutschen Weinbaugebieten gibt es derzeit noch keine Prognosen. Generell geht die Landwirtschaftskammer NRW allerdings davon aus, dass aufgrund der Klimaerwärmung die Anzahl der Weinbaubetriebe im Land steigen wird. Neue Standorte rückten in den Fokus, alte, brachliegende Flächen würden neu bewirtschaftet.

Bordeaux made in Germany?

Ein Beispiel: Das Weingut von Viola und Karsten Keune in Rheinbreitbach, etwas südlich von Bad Honnef. Die beiden Hobbywinzer rekultivieren dort seit 2017 einen historischen Weinberg. Das Besondere: Neben den hier üblichen Rieslingen und Weißburgundern versuchen sich die beiden auch an einem Rotwein der Sorte Merlot, den die Lokalpresse als "Rheinbreitbacher Bordeaux" anpreist.

Das mag eher augenzwinkernd gemeint sein, aber Fakt ist, dass sich durch das wärmere Klima die Palette der Weinsorten, die hier mit Ertrag angebaut werden können, erweitert hat. Der Anteil von "südlichen" Sorten wie Merlot oder Cabernet Sauvignon nimmt laut der "Deutschen Weinstatistik" stetig zu: Die Merlot-Rebfläche stieg innerhalb von zehn Jahren um 61 Prozent, die von Cabernet Sauvignon um 47 Prozent. Allerdings geschieht auch von einem niedrigen Startpunkt aus: Der Anteil der beiden Sorten am gesamten deutschen Rotwein-Anbau lag 2020/21 bei gerade mal knapp über einem Prozent.

Auch Weißwein-Sorten wie Sauvignon Blanc, die ursprünglich aus dem Loire-Tal stammen, legen deutlich zu. Wurde die Sorte 1995 hier noch gar nicht angebaut, sind es inzwischen laut Statistischem Bundesamt 1800 Hektar, was 1,7 Prozent der gesamten Weinanbaufläche entspricht. Insgesamt wurde 2021 in Deutschland auf einer Fläche von 103.421 Hektar Wein angebaut; 63 Prozent davon befinden sich in Rheinland-Pfalz. NRW kommt auf gerade einmal 20 Hektar.

Weinbau-Regionen verschieben sich nach Norden

Durch den Klimawandel verschöben sich die Weinbau-Regionen immer weiter gen Norden und in höhere Lagen, berichtete das Institut der Deutschen Wirtschaft bereits 2021. Ein Sprecher des Deutschen Weininstitut bezeichnete die deutschen Winzer sogar als "Gewinner des Klimawandels".

Mehr Bewässerung und Frostschutz in den Weinbergen nötig

Allerdings bringt die Klimaveränderung auch neue Probleme für den Weinbau mit sich. Einerseits blühen viele Sorten früher, allerdings hat sich der Zeitpunkt der späten Fröste nicht groß verändert. Das bedeutet, dass die Winzer mehr in den Frostschutz investieren müssen.

Zudem müssen die Weinstöcke bei längeren Trocken- und Hitzephasen zum Teil mit großem Aufwand bewässert werden. Und dass die Nähe zu Flüssen die Gefahr bei Extremwetterereignissen steigert, hat 2021 die Flut an der Ahr bewiesen, als viele Lager und Anlagen überflutet wurden.