Aufrüstung und Waffenlieferungen: Wer verdient daran?

Stand: 11.05.2022, 06:00 Uhr

Der Ukraine-Krieg ist noch lange nicht entschieden - einen Gewinner gibt es aber schon: die deutsche Rüstungsindustrie. Wer profitiert sonst noch vom neuen Ost-West-Konflikt?

Als Reaktion auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine erhöht die Bundesrepublik nicht nur ihre Verteidigungsausgaben auf künftig jährlich über zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zusätzlich ist ein 100 Milliarden Euro Sondervermögen für Investitionen bei der Bundeswehr geplant. Hinzu kommen Waffenlieferungen an die Ukraine, die ebenfalls Millionen Euro in die Kassen von Firmen wie Rheinmetall in Düsseldorf spülen werden.

Wer profitiert sonst noch von der unsicheren Weltlage? Fragen und Antworten.

Welche Unternehmen können mit Aufträgen rechnen?

Zunächst einmal die größeren deutschen Rüstungskonzerne: Neben Rheinmetall sind das zum Beispiel Krauss-Maffei Wegmann, Hensoldt, Diehl oder Heckler & Koch. Mit neuen Aufträgen können aber auch europäische Unternehmen wie Airbus und der Hersteller von Luftverteidigungs- und Lenkflugkörpersystemen MBDA rechnen. Hinzu kommen US-amerikanische Konzerne wie Lockheed Martin oder Boeing.

Bei der Ankündigung des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens im Bundestag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mehrere Projekte genannt, die in den kommenden Jahren gezielt vorangetrieben werden: zum Beispiel die Entwicklung moderner Kampfpanzer. Gemeint ist damit unter anderem das deutsch-französische Rüstungsprojekt MGCS (Main Ground Combat System), an dem zum Beispiel Rheinmetall und der staatliche Nexter-Konzern aus Frankreich beteiligt sind. Das wohl größte Vorhaben ist jedoch die Entwicklung eines Kampfjets für das neue europäische Luftverteidigungssystem FCAS (Future Combat Air System), das vor allem in den Händen von Airbus liegt.

Wie reagieren die Märkte?

An der Börse sind die Aktien von Rüstungsherstellern bereits seit dem russischen Einmarsch im Höhenflug. Beispiel Rheinmetall: Allein durch die Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes werde sich der Umsatz mit der Bundeswehr auf mindestens vier Milliarden Euro pro Jahr verdoppeln, erklärte Konzernchef Armin Paperger am Dienstag. In den vergangenen Wochen hatte sich der Aktienwert des Unternehmens ebenfalls verdoppelt.

Davon profitieren nicht nur die privaten und institutionellen Anteilseigner, die mit satten Dividenden rechnen können. Auch der Bund hält Beteiligungen an Waffenherstellern, verdient also direkt an den hohen Aktienkursen mit. Nicht nur bei ausgewiesenen Staatskonzernen wie Airbus, sondern zum Beispiel auch am bayrischen Konzern Hensoldt, der Radar-Anlagen zur Überwachung, Aufklärung, Flugsicherung und Luftverteidigung produziert.

Was bedeutet das für die Konjunktur?

Krieg ist immer auch ein Konjunkturprogramm - nicht nur für die Rüstungsindustrie. Auch die Stahlindustrie und Zulieferfirmen können mit guten Geschäften rechnen. Das bedeutet zunächst einmal neue Arbeitsplätze und damit eine Entlastung des Sozialstaats. Alle diese Unternehmen zahlen natürlich auch Steuern, sodass zumindest ein Teil der Milliardeninvestitionen in die Aufrüstung wieder an den Staat zurückfließen wird. Weil voraussichtlich auch die Bestellungen aus dem befreundeten Ausland zunehmen werden, könnten die hohen Lasten für den Staatshaushalt zusätzlich abgemildert werden.

Kurzfristig wird die Aufrüstung allerdings mit neuen Schulden finanziert - mit den bekannten, negativen Folgen für die Volkswirtschaft: Der Staat ist gezwungen, eigene Investitionen einzuschränken und muss gleichzeitig auf lange Sicht von seinen Bürgern höhere Abgaben verlangen. Beides schwächt die Wirtschaft nachhaltig.

Könnte man die hohen Gewinne nicht einfach "abschöpfen"?

Das zumindest fordert die Linke. Parteichefin Janine Wissler regte am Dienstag eine sogenannte Übergewinnsteuer für Unternehmen an, die in Kriegszeiten besonders hohe Gewinne machen. Speziell Rheinmetall müsse zusätzliche Beiträge leisten, um die Menschen "zu entlasten, die von der Krise besonders betroffen sind und unter steigenden Preisen ächzen". 

Die Übergewinnsteuer zielt auf das zusätzliche Geld, das ein Unternehmen als unmittelbare Folge des Kriegs in der Ukraine einnimmt. Dabei untersucht das Finanzamt, wie Umsatz und Gewinn in einem früheren Vergleichszeitraum ausgefallen sind, und besteuert den Überschuss. Bereits vor einigen Wochen war eine Übergewinnsteuer als Reaktion auf die exorbitanten Gewinne von Energiekonzernen in der Krise diskutiert worden - vor allem die Grünen hatten mit der Idee geliebäugelt.

Gegenwind kommt allerdings von der FDP: Aus Sicht von Finanzminister Christian Lindner ist eine Übergewinnsteuer verfassungsrechtlich kaum durchzusetzen. Die Abgrenzung von "Sondergewinnen" vom normalen Geschäftserlös sei extrem schwierig. Deshalb seien schon in der Vergangenheit solche Konzepte nicht umgesetzt worden. Außerdem könne eine solche Steuer die dringend nötigen Investitionen der Unternehmen in Zukunftstechnologien schmälern.

Über dieses Thema hat der WDR am Dienstag in der "Aktuellen Stunde" im WDR-Fernsehen berichtet.

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