Ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen: Haben Verbrenner-Motoren eine Zukunft?

Stand: 29.06.2022, 12:09 Uhr

Ab 2035 sollen Neuwagen in der Europäischen Union emissionsfrei sein. Worauf sich die für Umwelt zuständigen Ministerinnen und Minister der 27 EU-Staaten einigen konnten - und worauf nicht.

Die EU-Staaten haben sich auf Regeln zur Beseitigung von Kohlendioxid-Emissionen bei Autos und Transportern bis 2035 geeinigt. Der am Mittwochmorgen erzielte Kompromiss enthält kein Verbot von Neufahrzeugen mit Benzin- oder Dieselmotoren, kommt diesem aber sehr nahe.

Das sieht der Kompromiss vor:

  • Bis 2035 soll es ein Aus für Neufahrzeuge mit herkömmlichem Benzin- oder Dieselantrieb geben. Sie werden wahrscheinlich immer mehr durch Elektrofahrzeuge ersetzt. Bereits zugelassene Fahrzeuge sind von dem Vorhaben nicht betroffen.
  • Bereits bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen bei Autos im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent sinken. Bislang waren 40 Prozent geplant.
  • Die EU-Kommission soll einen Vorschlag machen, der die Zulassung von Fahrzeugen erlaubt, deren Verbrennungsmotoren ausschließlich mit klimaneutralen sogenannten E-Fuels betrieben werden.

Ein finaler Kompromiss muss nun mit dem EU-Parlament ausgehandelt werden, das ein komplettes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor will. Bevor die Parlamentarier dem Gesetzespaket zustimmen, müssen noch diverse Differenzen mit den nationalen Regierungen ausgeräumt werden.

Steffi Lemke begrüßt Kompromiss

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zeigte sich am Mittwoch im WDR erfreut über das Ergebnis der Verhandlungen:

"Es ist ein riesiger Fortschritt, wenn jetzt in allen EU-Mitgliedsstaaten festgelegt wurde, dass ab 2035 nur noch Autos und leichte Nutzfahrzeuge zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen." Steffi Lemke (Grüne),
Bundesumweltministerin

"Die Kernentscheidung ist, dass ab 2035 nur noch Autos zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen. Und darüber hinaus gibt es die Bitte an die EU-Kommission zu erwägen, zu schauen, ob es Möglichkeiten gibt, Fahrzeuge, die klimaneutral fahren mit E-Fuels, auch noch nach Möglichkeit zuzulassen", erläuterte Lemke.

Da E-Fuels aber nur unter sehr schwierigen Bedingungen klimaneutral herzustellen sind, sei diese Aufgabe nicht banal. Die Kommission werde jetzt prüfen, ob sie diese Forderung erfüllen könne.

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Technologie-Mix oder nur E-Autos?

Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), würde es begrüßen, wenn es keine Fixierung rein auf E-Autos gäbe, sondern auch andere Antriebsmöglichkeiten erlaubt wären - wenn sie denn klimafreundlich sind. Um den CO2-Ausstoß schnell und effektiv zu verringern, brauche man einen cleveren Mix aus verschiedenen Technologien, erklärte Koch auf WDR-Anfrage Anfang Juni.

EU-Entscheidung sorgt für Planungssicherheit

Benjamin Jung, Professor für Wirtschaftsingeneurwesen an der Hochschule Osnabrück

Benjamin Jung

Benjamin Jung ist in diesem Punkt anderer Meinung. Der Professor für Wirtschaftsingenieurwesen, insbesondere Unternehmensführung, an der Hochschule Osnabrück beschäftigt sich schon länger mit der Anpassung von Geschäftsmodellen in der Autoindustrie im Übergang zur Elektromobilität. Technologieoffenheit hält Jung in diesem Zusammenhang für überholt.

"Dieses klare politische Bekenntnis zur E-Mobilität beschleunigt die Transformation der Automobilindustrie hin zu einer zukunftsfähigen Industrie." Benjamin Jung, Professor für Wirtschaftsingeneurwesen an der Hochschule Osnabrück.

Ohnehin hätten einige Autobauer bereits während der Klimakonferenz in Glasgow angekündigt, aus der Herstellung von Verbrenner-Fahrzeugen auszusteigen. "Der Weg war weitestgehend vorgezeichnet", sagt Jung.

Was bedeutet das für die Zulieferer aus NRW?

Auch mit Blick auf den Markt hält Jung diese Entscheidung nur für E-Autos für vorteilhaft. So honoriere der Kapitalmarkt beispielsweise, dass sich Tesla konsequent auf E-Mobilität festgelegt habe, so Jung. Allerdings stellt das Unternehmen von Elon Musk seit seiner Gründung E-Autos her, musste seine Produktion also nicht von Benzin- und Dieselmotoren auf E-Antriebe umstellen.

Diesen Kurswechsel hält Jung in der klassischen deutschen Autoindustrie für möglich. Genau wie bei den Zuliefererunternehmen. "Allerdings ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass die Firmen schon vor zehn Jahren die richtigen Schritte eingeleitet haben und diese in den vergangenen fünf Jahren intensiviert haben", so der Wirtschaftsprofessor.

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