Geld statt Panzer? Weiter Diskussion um schwere Waffen für die Ukraine
Stand: 16.04.2022, 15:55 Uhr
Vor der befürchteten russischen Großoffensive wächst der Druck auf die Bundesregierung, die Ukraine nicht nur mit Geld, sondern auch mit Panzern zu helfen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Debatte.
Wenn es um die Unterstützung des ukrainischen Widerstands geht, scheut die Bundesregierung keine Kosten. Am Freitagabend kündigte Deutschland an, insgesamt zwei Milliarden Euro an weiteren Militärhilfen bereitzustellen. Davon sollen mehr als eine Milliarde Euro direkt an die Ukraine gehen.
Die Forderung nach direkten Lieferungen schwerer Waffen ist damit allerdings nicht vom Tisch. Nach wie vor drängt die ukrainische Regierung auf eine feste Zusage, Panzer aus deutschen Beständen ins Kriegsgebiet zu schicken. Wie stehen die Chancen? Und würden deutsche Panzer wirklich einen Unterschied machen? Fragen und Antworten.
Wie stehen Regierungsparteien und Opposition zu weiteren Waffenlieferungen?
Nicht nur die Ukraine erhöht den Druck auf Deutschland, auch in der Bundespolitik werden die Forderungen nach weiteren Waffenlieferungen lauter. Sowohl die Union drängt auf eine schnelle Entscheidung - aber auch Bundesminister wie Robert Habeck und Annalena Baerbock (beide Grüne) haben sich bereits eindeutig für die Freigabe von Panzerlieferungen ausgesprochen. Aus Sicht von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) ist es jedoch mittlerweile kaum möglich, die Ukraine aus Bundeswehr-Beständen mit Waffen und Material zu versorgen, ohne die deutsche Verteidigungsfähigkeit zu gefährden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vermeidet nach wie vor eine klare Positionierung. Zwar schließt Scholz die Lieferung schwerer Waffen nicht aus. Allerdings werde es keine deutschen "Alleingänge" geben - ein solcher Schritt sei nur im Konsens mit EU und NATO möglich. Ob Scholz in dieser Frage wirklich zu zögerlich agiert, wie ihm Kritiker vorwerfen, oder sich der Bundeskanzler aus strategischen Erwägungen nicht in die Karten schauen lassen will - das wissen aktuell nur Eingeweihte.
Welche Waffensysteme stehen zur Debatte?
Das Rüstungsunternehmen Rheinmetall will Leopard-1-Panzer in die Ukraine schicken. Dabei geht es um ältere Modelle, die ausgemustert und schon vor längerer Zeit von der Firma zurückgenommen wurden. Die Lieferung würde nach Angaben des Unternehmens in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten über die italienische Rheinmetall-Tochter erfolgen.
Rheinmetall hat auch ausgemusterte Schützenpanzer vom Typ Marder. Immerhin 70 Exemplare könnten innerhalb von sechs bis acht Monaten geliefert werden, die ersten zehn bereits innerhalb von fünf Wochen.
Wie ist die Stimmung in Deutschland in der Bevölkerung?
Durchwachsen. Zwar ist laut dem ARD-"Deutschlandtrend" eine Mehrheit der Bundesbürger dafür, dass Deutschland schwere Waffen wie Panzer an die Ukraine liefert. 55 Prozent sprechen sich für diesen Schritt aus, 37 Prozent sind dagegen. In den sozialen Medien befürchten manche Kommentatoren aber, dass eine Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine Deutschland in den Augen Russlands zur Kriegspartei machen - und am Ende sogar ein Weg in den Dritten Weltkrieg sein könnte.
Könnten deutsche Panzer der Ukraine einen echten militärischen Vorteil bieten?
Das kommt darauf an, wie lange der Krieg noch dauert. Um die erwartete russische Großoffensive im Osten der Ukraine aufzuhalten, würde wohl auch eine sofortige Lieferzusage nicht helfen. Denn die Panzer können frühestens in einigen Wochen geliefert werden. Zusätzlich müssen die ukrainischen Soldaten in Bedienung und Wartung der schweren Maschinen ausgebildet werden, was weitere Wochen dauern wird.
Wenn der Krieg wie befürchtet noch Monate oder sogar Jahre andauert, dann könnten schwere Waffen und Unterstützung bei der Logistik tatsächlich einen Unterschied machen.
Welche Risiken sind mit Lieferungen schwerer Waffen verbunden?
Brigadegeneral a.D. Erich Vad warnte, dass solche Lieferungen potenziell ein "Weg in den Dritten Weltkrieg" sein könnten. Ähnlich äußert sich der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat. "Ich beklage, dass im Augenblick die Politik auf Tauchstation gegangen ist und mit ihr die Diplomatie, und dass nicht versucht wurde, den Krieg zu beenden", sagte Kujat dem WDR. Waffenlieferungen verlängerten zudem den Krieg und erhöhten die Opferzahl sowohl bei der ukrainischen Zivilbevölkerung als auch beim ukrainischen Militär. "Wir brauchen aber eine politische Lösung für einen Waffenstillstand und für die Beendigung des Krieges", betonte Kujat. Daran mangele es. "Wir müssen uns entscheiden: Waffen liefern und damit den Krieg verlängern oder den Krieg beenden."