Fake oder echt? So überprüfen wir Videos aus der Ukraine

Stand: 17.11.2022, 08:47 Uhr

Rund um den Ukraine-Krieg kursieren in sozialen Medien neben vertrauenswürdigen Inhalten auch viele Gerüchte sowie nicht verifizierte Bilder und Videos. Wie geht der WDR vor, um Fälschungen zu erkennen?

Schon seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Sozialen Netzwerke voll von Bildern und Videos von Toten und Verletzten, zerstörten Häusern, durch die Straßen rollenden Panzern. Einige Bilder und Videos lassen sich relativ schnell als Fälschungen identifizieren - bei anderen gestaltet sich die Recherche schwierig. Ob das Material aus ukrainischen oder pro-russischen Quellen kommt, spielt dabei keine Rolle: Beide Kriegsparteien und ihre Unterstützer sind daran interessiert, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Dafür setzen sie auch auf Desinformation - also auf Lügen.

Um gefälschtes Material zu erkennen, gibt es kein Patentrezept. Es ist aber möglich, Hinweise zu erhalten, ob das Material authentisch ist und Informationen belastbar erscheinen. Wie geht der WDR mit unbestätigten Videos und Bildern aus dem Ukraine-Krieg um? Mit welchen Methoden überprüfen Experten das Material auf Echtheit? Fragen und Antworten.

Ist die Quelle vertrauenswürdig?

Grundsätzlich ist die Quelle ein wichtiger Indikator dafür, ob Bilder oder Informationen vertrauenswürdig sind oder nicht. So gelten die großen Nachrichtenagenturen, wie beispielsweise dpa, AFP oder AP, als vertrauenswürdig, weil sie das Material vor der Veröffentlichung intensiv prüfen. Bei Bildern und Videos werden - soweit möglich - Quelle, Datum und Aufnahmeort angegeben.

Wer hat das Material veröffentlicht?

Egal, ob die Bilder oder die Videos zuerst auf Facebook, Twitter, Telegram oder Instagram erscheinen: Schon das jeweilige Social-Media-Profil enthält viele Hinweise, ob der Urheber vertrauenswürdig ist oder nicht. Ist die Identität des Profils bestätigt? Wie hoch ist die Zahl der Follower? Wie lange existiert das Profil schon? Und welche Inhalte hat die Quelle in der Vergangenheit veröffentlicht?

Oder hat das Profil einen blauen Haken neben dem Nutzernamen, mit dem zum Beispiel Twitter arbeitet? Allerdings muss hier beachtet werden, dass der Haken nach einigen Änderungen durch den neuen Twitter-Besitzer Elon Musk nicht immer auf ein verifiziertes Konto hinweist, sondern auch auf ein Abonnement des Nutzers von "Twitter Blue" hinweisen kann.

Sind die Informationen plausibel?

Manchmal sind die geposteten Inhalte so absurd, dass eine Überprüfung kaum noch nötig ist. Schon vor einigen Wochen kursierten zum Beispiel Videos, in denen sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Wladimir Putin ihre Kapitulation erklärten. In beiden Fällen handelte es sich natürlich um plumpe Fälschungen. Nichts deutete zu diesem Zeitpunkt darauf hin, dass eine der beiden Kriegsparteien die Waffen strecken wollte.

Können Ort und Zeit der Aufnahme bestätigt werden?

Wenn die Bilder oder Videos aus dem Kriegsgebiet mit exakten Orts- und Zeitangaben verknüpft sind, bieten sich viele Möglichkeiten der Überprüfung. Eine Möglichkeit sei zum Beispiel die Recherche über Google Street View, erklärt Dustin Haack aus dem WDR-Newsroom. So lasse sich schnell überprüfen, ob das Material tatsächlich am genannten Ort aufgenommen wurde.

Ob auch die angebliche Zeit der Aufnahme stimmt, lasse sich zum Beispiel über das Wetter oder sogar den Stand der Sonne eingrenzen: "Ich schaue: Was ist die Blickrichtung der Kamera? Und gehe genau in die Perspektive. Dann kann ich mit dem Sonnenkalkulator sehen: Wo hat die Sonne um 11.32 Uhr am 8. März vor Kiew gestanden." Falls die Informationen aus den Wetterdatenbanken mit den Angaben übereinstimmen, ist das zwar immer noch kein Beweis für die Echtheit des Materials - aber ein wichtiges Indiz.

Wurde das Material schon einmal verwendet?

Mit der Bilderrückwärts-Suche im Netz lassen sich viele gefälschte Inhalte und im falschen Zusammenhang geteilte Inhalte aufdecken. Suchmaschinen können das Internet nach gleichen oder ähnlichen Bildern oder Videos durchsuchen, sodass bereits früher verwendete Bilder entdeckt werden können. Da ähnliche Bilder ebenfalls angezeigt werden, können auch Manipulationen entlarvt werden.

Auch die Tonspur kann darauf untersucht werden, ob sie bereits in einem anderen Zusammenhang verwendet wurde.

Putins nützliche Idioten: Wo Russlands Propaganda verfängt

Monitor 03.03.2022 06:38 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Julia Regis, Lara Straatmann

Haben andere Faktenchecker das Material schon bewertet?

Verifikation ist immer Teamarbeit. Deshalb arbeitet der WDR-Newsroom intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen von ARD Aktuell in Hamburg zusammen. "Wir haben ein großes Netzwerk in der ARD, die Korrespondenten", erklärt Michael Wegener, Leiter des Content Centers, das Informationen für die Fernsehnachrichten der ARD überprüft. Die Journalisten verfügten über Ortskenntnisse und weitere Informationsquellen, die eine Überprüfung erleichtern. "Wenn man sich auskennt in einer Region ist das sehr viel einfacher, als wenn wir das nur hier am Computer tun."

Und übrigens ...

Eine gründliche Überprüfung von unbestätigtem Bild- und Videomaterial braucht Zeit. Manchmal können aber bereits die Reaktionen der Kriegsparteien auf die Veröffentlichung erste Hinweise zur Echtheit liefern. Ein Beispiel ist ein aktuelles Telegram-Video, in dem ukrainische Kämpfer angeblich russischen Kriegsgefangenen in die Beine schießen - eine brutale Verletzung der Genfer Konvention.

Die journalistische Verifikation des Videos ist noch nicht abgeschlossen. Die ukrainische Regierung hat das Video allerdings bisher nicht als Fälschung bezeichnet. Stattdessen wurde eine umfassende Untersuchung des möglichen Kriegsverbrechens angekündigt. Auch das ist noch kein endgültiger Beweis - aber ein Hinweis, der in die Bewertung einfließen wird.

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