Die ukrainische Flagge neben der Flagge der EU.

Was es bedeutet, dass die Ukraine Beitrittskandidatin der EU werden soll

Stand: 18.06.2022, 16:18 Uhr

Die EU-Kommission spricht sich dafür aus, die Ukraine und Moldau offiziell zu Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union zu ernennen. Georgien, das ebenfalls für den Status vorgeschlagen wurde, bekommt ihn noch nicht.

Die mehr als 40 Millionen Bürger zählende Ukraine hatte vor rund dreieinhalb Monaten kurz nach Beginn des russischen Angriffs gegen sie die Aufnahme in die EU beantragt. Kurz darauf reichten auch der kleine Nachbar Moldau sowie das weiter im Südosten gelegene Georgien Beitrittsanträge ein. Moldau hat rund 2,6 Millionen Einwohner, Georgien rund 3,7 Millionen.

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Was sieht der Vorschlag konkret vor?

Das nun von der EU-Kommission vorgeschlagene Vorgehen sieht vor, der Ukraine und Moldau den Status als EU-Beitrittskandidaten zu geben. Zugleich sollten nach Ansicht der Behörde weitere Fortschritte im Beitrittsprozess an konkrete Bedingungen geknüpft werden. In beiden Ländern gibt es unter anderem Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und im Kampf gegen Korruption.

Das ebenfalls einen EU-Beitritt anstrebende Georgien soll nach der Empfehlung der EU-Kommission hingegen erst nach der Erfüllung von Auflagen den Kandidatenstatus bekommen. Das Land würde demnach wie derzeit Bosnien-Herzegowina und der Kosovo vorerst nur ein potenzieller Beitrittskandidat sein.

Wer ist dafür?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprachen sich am Donnerstag in Kiew dafür aus, dass die Ukraine Beitrittskandidat wird. Deutschland und Frankreich argumentieren, dass der Kandidatenstatus die Aufnahmeentscheidung nicht vorwegnimmt und auch nicht mit einem Zeitrahmen verbunden ist. Die Türkei ist beispielsweise schon seit 1999 Beitrittskandidat. Den Beitrittsantrag hatte das Land aber bereits 1987 gestellt.

Was sagen skeptische Mitgliedsstaaten?

Andere EU-Mitgliedstaaten sehen diesen ersten Schritt in Richtung Beitritt der Ukraine und Moldau kritischer. So halten Länder wie Portugal und die Niederlande die Vergabe des Kandidatenstatus an die Staaten im östlichen Europa nach Angaben von Diplomaten für verfrüht und rein symbolisch.

Ein weiteres Argument von Skeptikern ist, dass die EU mit ihrem Prinzip der Einstimmigkeit etwa in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik schon jetzt als schwerfällig gilt. Sie mahnen zunächst interne Reformen an, ehe neuen Mitgliedern die Tür geöffnet wird.

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Was bringt der Kandidatenstatus der Ukraine?

Auch wenn der Status als Mitgliedskandidat nicht automatisch bedeutet, dass die Ukraine auch sicher ein Mitglied der EU wird, hält Roman Rusch, ARD-Korrespondent in Brüssel, den Schritt für ein wichtiges Symbol. "Das wäre ein enorm moralischer Support", sagt er. "Ein Signal, dass auch die EU die Ukraine als einen Teil von Europa ansieht."

Von einem "starken politischen Signal" sprach auch Prof. Gwendolyn Sasse, Wissenschaftliche Direktorin des Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS), im WDR-Interview. Der Kandidatenstatus eröffne der Ukraine und auch Moldau eine konkrete politische Perspektive über diesen Krieg hinaus - "und das darf man in seiner Bedeutung nicht unterschätzen", so Sasse. Die Lage in der Ukraine nach dem Krieg sei natürlich völlig ungewiss, "es ist also wirklich eine andere Art der Entscheidung, aber es ist auch keine Entscheidung ins Blaue hinein".

Mit diesem Statuts müsste sich die Ukraine aller Voraussicht nach ohnehin in den kommenden Jahren erst einmal zufrieden geben müssen. Die bisherigen Versuche anderer Staaten, in die EU aufgenommen zu werden, zeigen, dass sich die Beitritte vom Antrag bis hin zur Mitgliedschaft in den meisten Fällen über mehr als acht Jahre hinzogen.

Wie geht es weiter?

Auf Grundlage der Empfehlung der Kommission müssen nun die EU-Staaten entscheiden, wie es weitergeht. Der Vorschlag stellt dabei die Grundlage für einen möglichen Beschluss der EU-Mitgliedstaaten dar. Die Staats- und Regierungschefs wollen bereits bei einem Gipfeltreffen Ende kommender Woche über das Thema beraten.

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