Intensivbetten statt Inzidenz: Was sagt mehr über die Pandemielage aus?

Stand: 22.04.2021, 05:51 Uhr

Corona-Politik beruft sich vor allem auf die Zahl der Neuinfektionen und die 7-Tage-Inzidenz. Falsch, sagen einige Experten. Wichtiger sei die Zahl der neuen Intensivpatienten.

Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote, geschlossene Geschäfte: In der dritten Welle der Corona-Pandemie wird das Leben von Millionen Menschen stark eingeschränkt. Begründet werden die Maßnahmen mit der kritischen Infektionslage. Als wichtigsten Beleg verweist die Politik auf die steigende Wocheninzidenz - also die Zahl der Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100.000 Menschen.

Diese Kennzahl hat laut Robert Koch-Institut (RKI) den Vorteil, dass sie "konkret, verständlich und bundesweit vergleichbar" ist. Im Lauf des vergangenen Jahres hat die Inzidenz immer mehr an Bedeutung gewonnen und andere Kennzahlen wie den Reproduktionswert "R" (wie viele Menschen steckt ein Infizierter im Schnitt an) verdrängt.

Inzidenzwert gibt keine Orientierung

Unter einigen Experten ist dennoch umstritten, ob die Inzidenz in der jetzigen Phase der Pandemie noch ein guter Orientierungspunkt für politisches Handeln ist. "Wenn man gezwungen ist, sich auf nur einen Messwert zu beschränken - und das scheint so zu sein -, dann wäre die Zahl der Neuaufnahmen auf Intensivstationen das, was der Situation am ehesten gerecht wird", sagt Epidemiologe Gérard Krause vom vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.

Zusammen mit Experten des Instituts für Statistik an der Uni München hat Krause die Aussagekraft von Inzidenzwerten untersucht - das Ergebnis ist vernichtend: Letztendlich sei es "unerheblich, welcher Grenzwert für die 7-Tages-Inzidenz festgesetzt wird", weil die Inzidenzzahl "kein tauglicher Indikator für die gesundheitliche Belastung der Bevölkerung ist".

Zwar könne die Inzidenz zusammen mit anderen Werten durchaus zeigen, wie sich die allgemeine Infektionslage entwickelt. Als alleiniger Maßstab für politisches Handeln eigne sich der Wert nicht.

Hohe Dunkelziffer, kaum Differenzierung

Insbesondere kritisieren die Experten, dass die Inzidenz wegen zahlreicher Übermittlungsfehler oft nur ein verzerrtes Bild der Lage vermittelt. Ein weiterer Kritikpunkt ist die hohe Dunkelziffer bei den Neuinfektionen, die mal größer, mal kleiner ausfallen kann - abhängig davon, welche Bevölkerungsgruppen wie häufig getestet werden.

Und: Der Inzidenzwert macht keinen Unterschied zwischen schweren und leichten Corona-Fällen. In den ersten zwölf Wochen des Jahres hatten ein Drittel der mit Corona infizierten Menschen überhaupt keine Symptome.

Im Vergleich dazu könne die Zahl der Neuaufnahmen auf Intensivstationen direkt und zeitnah eine Aussage über die gesundheitlichen Belastung in der Bevölkerung treffen, sagen die Experten der Uni München. Steigt diese Zahl sprunghaft an, könnte die Politik sofort mit schärferen Maßnahmen gegensteuern und eine Überlastung des Gesundheitswesen verhindern.

Laut Intensivregister liegt die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen am Donnerstag bundesweit knapp unter 5.000 - der Wert gilt als kritisch. Wird diese Schwelle überschritten, müssten Kliniken vielerorts auf Notbetrieb umstellen.

Altersstruktur von Intensivpatienten unklar

Zahlreiche Kliniken melden, dass in der dritten Welle kaum noch Patienten über 80 aufgenommen werden müssen. Die Zahl jüngerer Patienten nehme dagegen stetig zu. Nachprüfen lässt sich das nicht - die Daten fehlen.

Immer die neuesten Corona-Zahlen zum eigenen Wohnort

Mit den Messenger-Diensten von WDR aktuell lassen sich die aktuellsten Corona-Fallzahlen unkompliziert aufs Handy holen. Einfach die Postleitzahl des eigenen Wohnorts eingeben und in Sekundenschnelle erscheinen die aktuellen Zahlen. Den Service gibt es bei "Telegram" und im "Facebook Messenger", die Anmeldung ist sehr einfach. 

Aktuelle TV-Sendungen